Öffentliches Recht - 17. Oktober 2019

Zweifel an ausreichender gesetzlicher Grundlage für „verlässliche Halbtagsschule“ in Brandenburg

VG Potsdam, Pressemitteilung vom 17.10.2019 zum Beschluss 12 L 768/19 vom 10.10.2019

Die 12. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam hat im Rahmen einer Entscheidung im Eilverfahren mit Beschluss vom 10. Oktober 2019 Zweifel geäußert, ob das Brandenburgische Schulgesetz eine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine verpflichtende Teilnahme an Angeboten der „verlässlichen Halbtagsschulen“ im Grundschulbereich bietet.

Mit Bescheid aus August 2019 stellte das Staatliche Schulamt fest, dass die Eltern der betroffenen Schülerin es unterlassen hätten, dafür Sorge zu tragen, dass diese den unterrichtlichen Verpflichtungen, die sich aus der „verlässlichen Halbtagsschule“ ergäben, nachkomme, forderte sofort vollziehbar die Eltern auf, ab sofort für den ordnungsgemäßen Schulbesuch ihrer Tochter zu sorgen und drohte den Eltern für den Fall des weiteren Fernbleibens ihrer Tochter von den pflichtigen schulischen Veranstaltungen ein Zwangsgeld an. Hintergrund des Streites ist, dass die Schülerin aufgrund gesundheitlicher Besonderheiten in Abstimmung mit der Schule die Mittagsmahlzeit nach dem Unterricht zu Hause einnehmen durfte, danach aber nicht mehr in die Schule zurückkehrte, um an den Angeboten der Halbtagsschule teilzunehmen. In dieser Nichtteilnahme sah das Schulamt einen Verstoß gegen die Schulpflicht. Die Eltern seien jedoch verpflichtet, dafür zu sorgen, dass ihre schulpflichtige Tochter neben dem Unterricht auch an allen im Rahmen der „verlässlichen Halbtagsschule“ bestehenden Angeboten teilnehme. Der Widerspruch gegen diesen Bescheid blieb erfolglos, über die Klage ist noch nicht entschieden.

Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt, da eine Verletzung der Schulpflicht nicht gegeben sei. Die Schülerin sei nicht verpflichtet, täglich nach ihrem Mittagessen zu Hause in die Schule zurückzukehren.

Das Gericht hat Zweifel, ob die maßgeblichen Vorschriften des Brandenburgischen Schulgesetzes dem Gesetzesvorbehalt genügten, wonach der Gesetzgeber aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip des Grundgesetzes verpflichtet sei, bei Maßnahmen im Bereich des Schulwesens die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und nicht der Schulverwaltung zu überlassen. Denn es handele sich im Kern um eine Ausdehnung der Schulpflicht. Jedoch seien die wesentlichen Eckpunkte sowie die erforderlichen Leitlinien nicht durch den brandenburgischen Gesetzgeber festgelegt worden. Das brandenburgische Schulgesetz lasse für eine „verlässliche Halbtagsschule“ die notwendigen Grundzüge (z. B. zeitlicher Umfang Anforderungen an die pädagogischen Konzeption) – wenn überhaupt – nur im Ansatz erkennen. Die ansatzweise vorhandenen Regelungen seien in mehrfacher Hinsicht verwirrend. Das brandenburgische Schulgesetz dehne somit die Schulpflicht an „verlässlichen Halbtagsschulen“ über die ansonsten vorgesehenen Unterrichts- und Schulzeiten hinaus aus, ohne hierfür jedoch die notwendigen Anforderungen selbst zu regeln. Die konkretisierenden Regelungen in den Verwaltungsvorschriften könnten dabei die notwendigen Entscheidungen des Gesetzgebers nicht ersetzen.

Im Übrigen würde die hier betroffene Grundschule noch nicht einmal die in den Verwaltungsvorschriften aufgestellten Anforderungen für eine „verlässliche Halbtagsschule“ erfüllen. Ferner mangele es dem streitgegenständlichen Bescheid auch an der erforderlichen Bestimmtheit.

Gegen den Beschluss steht dem Staatlichen Schulamt die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zu.