Zivilrecht - 20. Oktober 2020

Zur Aufhebung einer Ehe

AG Frankenthal, Mitteilung vom 19.10.2020 zum Beschluss 71 F 268/17 vom 15.02.2018

Bundesgerichtshof bestätigt Auffassung des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz)

  1. Eine im EU-Ausland geschlossene Ehe ist grundsätzlich anzuerkennen.
  2. Die Aufhebung der Ehe ist ausgeschlossen, wenn aufgrund außergewöhnlicher Umstände die Aufhebung der Ehe für den minderjährigen Ehegatten eine schwere Härte darstellen würde.
  3. Die Norm des § 1314 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist als „Kann-Vorschrift“ ausgestaltet und räumt dem Familiengericht ein Ermessen dahingehend ein, ob die Ehe aufgehoben wird.

Sachverhalt

Die am …2001 geborene Antragsgegnerin und der am … 1996 geborene Antragsgegner hatten am … 2017 in ihrem Geburtsort in …, Bulgarien, die Ehe geschlossen. Die Antragsgegner wohnen im Bezirk des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz). Die zuständige Behörde beantragte im Verfahren die Aufhebung der Ehe, da die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Eheschließung minderjährig gewesen sei.

Entscheidung

Das Amtsgericht hat den Antrag auf Eheaufhebung zurückgewiesen. Die nach bulgarischem Recht wirksam geschlossene Ehe ist nach deutschem Recht nicht aufzuheben. Die Aufhebung der Ehe nach deutschem Recht richtet sich nach den §§ 1313 ff. BGB. Die Aufhebung ist nach § 1313 Satz 1 BGB auf Antrag durch richterliche Entscheidung möglich. Gemäß § 1314 Abs. 1 Nr. 1 BGB kann eine Ehe aufgehoben werden, wenn sie entgegen § 1303 Satz 1 BGB mit einem Minderjährigen geschlossen worden ist, der im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr vollendet hat. Dies war vorliegend hinsichtlich der Antragsgegnerin der Fall. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass angesichts des ausdrücklichen Wortlauts des § 1314 BGB, der als sog. Kann-Vorschrift ausgestaltet ist, dem Familiengericht ein Ermessen dahingehend zusteht, ob die Ehe aufgehoben wird.

Die in der Literatur insofern zitierte und diskutierte Rechtsauffassung des Amtsgerichts hat der Bundesgerichtshof nun im Ergebnis ausdrücklich bestätigt. Mit Beschluss vom 22.07.2020 – 12 ZB 131/20 – hat der Bundesgerichtshof mit ausführlicher Begründung u. a. ausgeführt, dass das Erfordernis einer verfassungskonformen Auslegung des Gesetzes für die Zuerkennung eines Ermessens des Familiengerichts im Rahmen des § 1314 Abs. 1 Nr. 1 BGB spricht.

Die Gegenauffassung war davon ausgegangen, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen stets eine Aufhebung der Ehe auszusprechen ist, was im vom Amtsgericht entschiedenen Fall dazu geführt hätte, dass die in Bulgarien wirksam geschlossene und von den Beteiligten mittlerweile in Deutschland als solche geführte Ehe aufzuheben gewesen wäre.

Quelle: AG Frankenthal