Sozialversicherungsrecht - 31. August 2021

Zum Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen

SG Stuttgart, Mitteilung vom 25.08.2021 zum Gerichtsbescheid S 6 AL 3780/19 vom 15.07.2020 (rkr)

Bei bestehendem tariflichem Kündigungsschutz und fehlenden objektiven Anhaltspunkten für eine Gefährdung des Arbeitsplatzes besteht aufgrund von Befürchtungen, über kurz oder lang den Arbeitsplatz zu verlieren, kein Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen (Gerichtsbescheid vom 15.07.2020, S 6 AL 3780/19, rechtskräftig).

Die Klägerin begehrte die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Bei ihr war ein Grad der Behinderung von 30 feststellt. Aufgrund ihres Alters und der langen Beschäftigungsdauer stand ihr ein besonderer Kündigungsschutz nach dem TVöD zu, der eine ordentliche Kündigung ausschloss. Behinderungsbedingte Fehlzeiten waren in den letzten Jahren nicht aufgetreten. Personalrat und Schwerbehindertenvertretung führten aus, dass die Arbeitsleistung und Belastbarkeit der Klägerin trotz behinderungsgerecht ausgestattetem Arbeitsplatz vermindert seien. Dadurch und durch die häufigen Fehlzeiten habe die Klägerin Bedenken, dass sie über kurz oder lang mit einer Kündigung rechnen müsse. Die Klägerin machte geltend, sie habe Angst und sei verunsichert, weil sie fürchte, ihren Arbeitsplatz aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen zu verlieren.

Die Klage wurde abgewiesen mangels vom Gesetz in § 2 Abs. 3 SGB IX geforderter Kausalität („den Arbeitsplatz infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung nicht behalten können“). Die Klägerin erstrebte die Gleichstellung mit dem Ziel, ihren Arbeitsplatz zu sichern. Das Gericht konnte eine objektiv bestehende behinderungsbedingte Gefährdung des Arbeitsplatzes jedoch nicht feststellen. Der Arbeitgeber der Klägerin bestätigte, dass die behinderungsbedingten Einschränkungen bekannt sind, aber der Arbeitsplatz nicht gefährdet ist. Objektive Tatsachen, welche eine behinderungsbedingte Gefährdung nahelegen, wurden – abgesehen von Fehlzeiten – nicht benannt. Die Fehlzeiten in den letzten Jahren gingen aber nahezu ausschließlich auf akute Erkrankungen zurück, so dass sie nicht geeignet waren, eine Gefährdung aus behinderungsbedingten Gründen zu belegen. Gilt – wie hier – darüber hinaus besondere Kündigungsschutz, kommt eine krankheitsbedingte Kündigung seitens des Arbeitgebers nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht, wobei die Voraussetzungen hierfür im Falle der Klägerin nicht festgestellt werden konnten.

Quelle: SG Stuttgart