vzbv, Mitteilung vom 20.04.2020
Für mindestens 200.000 Verbraucherinnen und Verbraucher geht die größte deutsche Musterfeststellungsklage mit einer Entschädigung für den Dieselbetrug zu Ende. Sie haben nach Konzernangaben den vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ausgehandelten Vergleich mit Volkswagen geschlossen. In diesen Tagen erhalten sie eine verbindliche Vergleichszusage des Wolfsburger Autokonzerns. Die Gelder – Volkswagen zufolge insgesamt mindestens 620 Millionen Euro – sollen ab 5. Mai überwiesen werden. „Es ist das erste Mal, dass Verbraucher sich in einem Massenverfahren dieser Größenordnung gemeinsam gegen einen Betrug zur Wehr setzen konnten“, sagt Klaus Müller, Vorstand des vzbv. Verbraucher hatten nach Ostern verstärkt Probleme bei der Abwicklung gemeldet. Die Frist zur Anmeldung im Onlineportal wurde bis zum 30.4.2020 verlängert.
Tausende Fälle werden VW zufolge derzeit noch geprüft. Strittige Fälle wird die Ombudsstelle in den kommenden Monaten entscheiden. Der vzbv mahnt eine zügige Reform der neuen Klageform an. „Die Musterfeststellungsklage muss verbraucherfreundlicher und einfacher werden“, so Klaus Müller.
Vergleich für viele Verbraucher eine gute Lösung
Fast fünf Jahre nach Bekanntwerden des Dieselbetrugs hatten der vzbv und die Volkswagen AG im Februar 2020 für mehr als eine Viertelmillion betrogener Dieselfahrer Entschädigungsangebote zwischen 1350 und 6250 Euro ausgehandelt. Um den Vergleich zu schließen, konnten sich betrogene Verbraucher seit dem 20. März auf einer Online-Plattform anmelden und die notwenigen Dokumente übermitteln. Nach Angaben des abwickelnden Autobauers haben den Vergleich bereits mehr als 200.000 Anspruchsberechtigte geschlossen. Rund 21.000 Fälle seien darüber hinaus derzeit noch in Prüfung. „Dass sich offenbar mehr als 80 Prozent der Berechtigten für den Vergleich entschieden haben, zeigt, dass es richtig war, ihn auszuhandeln“, so Müller. „Auch wenn wir uns eine Lösung gewünscht hätten, die wirklich jedem Betrugsopfer zu Gerechtigkeit verholfen hätte. Das war aber mit den derzeitigen Klagemöglichkeiten nicht zu erreichen.“
Frist bis Ende April verlängert
Vor allem rund um die Osterfeiertage hatten sich vermehrt Verbraucher beim vzbv gemeldet und über Probleme bei der Abwicklung geklagt. Das Service-Center sei nicht erreichbar gewesen. Auskünfte seien missverständlich oder falsch gewesen. Auch sei es nicht ermöglicht worden, mit der Ombudsstelle Kontakt aufzunehmen. Viele Verbraucher klagten zudem, sie hätten trotz Eintragung im Klageregister beim Bundesamt für Justiz kein Anschreiben von VW erhalten. Insgesamt rund 2000 solcher Verbraucherbeschwerden kamen beim vzbv an.
Die Frist, bis zu der sich zum Vergleich Berechtigte auf der Onlineplattform angemeldet und die entsprechenden Dokumente hochgeladen haben müssen, wurde nun bis zum 30. April verlängert. Verbrauchern, die die Vergleichskriterien erfüllen, aber noch keine Zugangsdaten haben, oder denen der Vergleich verweigert wird, rät der vzbv deswegen, mit der Service-Hotline Kontakt aufzunehmen (05361-3790506). Sollten Verbraucher dort nicht erfolgreich sein, können sie darauf bestehen, dass ihr Fall der Ombudsstelle zur Prüfung vorgelegt wird. Oder sie wenden sich direkt per Email an die Ombudsstelle (geschaeftsstelle@ombudsstelle-vw-vergleich.de). Die Ombudsstelle wird von der ehemaligen Justizministerin Brigitte Zypries, dem ehemaligen Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar und dem ehemaligen Versicherungsombudsmann Prof. Dr. Günter Hirsch geleitet.
Musterfeststellungsklage muss zügig reformiert werden
„Dass nun mehr als 200.000 Verbraucher in einem Massenverfahren eine Entschädigung erhalten, ist ein Erfolg, der ohne die Musterfeststellungsklage nicht möglich wäre“, so Klaus Müller. „Mit einer besseren Ausgestaltung des Gesetzes hätten jedoch wesentlich mehr Verbraucher profitieren können. Deshalb brauchen wir eine zügige Reform der Klage. Sie muss verbraucherfreundlicher und einfacher werden.“
Unnötig kompliziert ist nach Einschätzung des vzbv unter anderem das Klageregister. Einfacher wäre eine Lösung ohne Register, bei der die Verjährung mit Einreichen der Klage für alle Betroffenen gehemmt würde. Nach einem erfolgreichen Urteil könnten dann alle profitieren. „Uns haben in den vergangenen Wochen viele Verbraucher kontaktiert, die sich nicht ins Klageregister eingetragen hatten und trotzdem gern profitieren wollten. Sie bleiben unter der jetzigen Regelung leider außen vor“, berichtet Klaus Müller. Auch dass Verbraucher selbst im Fall eines erfolgreichen Urteils noch mal individuell klagen müssen, ist aus Sicht des vzbv unnötig: Das Urteil sollte eine verpflichtende Lösung festlegen – etwa eine direkte Zahlung an die Verbraucher oder eine Schlichtung. „Solche Reformen könnten leicht und zügig vorgenommen werden“, erklärt Klaus Müller. „Dann hätten Verbraucher in Zukunft noch viel bessere Möglichkeiten, sich gemeinsam gegen Massenschäden zu wehren und Unternehmen werden sich zweimal überlegen, ob sie ein solches Risiko eingehen.“