VerfG Hamburg, Pressemitteilung vom 06.09.2024 zum Urteil HVerfG 1/23 vom 06.09.2024
Nach dem am 06.09.2024 verkündeten Urteil des Hamburgischen Verfassungsgerichts ist das Volksbegehren „Hamburg Werbefrei“ überwiegend durchzuführen. Nur eine der beabsichtigten Neuregelungen verstoße gegen das Eigentumsgrundrecht.
Verfahrensgang
Auf Antrag des Senats hatte das Verfassungsgericht über die Durchführung des Volksbegehrens zu entscheiden. Dessen Grundlage ist die Volksinitiative „Hamburg Werbefrei“, die eine Neufassung der in der Hamburgischen Bauordnung enthaltenen Regelungen zu Werbeanlagen zum Gegenstand hat. Sie verfolgt das Ziel, „ein ausgewogenes Verhältnis zwischen gestalterischen Aspekten, dem Informationsinteresse der Bevölkerung und den Interessen der Wirtschaft an der Wahrnehmbarkeit im öffentlichen Raum herzustellen“. Neben der Reduzierung von Werbeanlagen sollen hierfür „gestalterische Vorgaben für Werbeanlagen zwecks stadtbild-verträglicher Integration und Vermeidung optischer Dominanz von Werbung im Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild“ gemacht und digitale Werbeanlagen und Wechsellichtanlagen grundsätzlich verboten werden. Die Volksinitiative kam Ende des Jahres 2022 zustande. Die Hamburgische Bürgerschaft, die sich mit dem Anliegen anschließend zu befassen hatte, verabschiedete das beantragte Gesetz nicht. Die Initiatoren und Initiatorinnen beantragten daraufhin im Februar 2023, ein Volksbegehren durchzuführen und reichten eine überarbeitete Fassung des Gesetzentwurfs ein, woraufhin der Senat das Hamburgische Verfassungsgericht mit dem Feststellungsziel angerufen hat, dass das Volksbegehren nicht durchzuführen sei.
Inhalt der Entscheidung
Lediglich eine der beabsichtigten Neuregelungen – nämlich diejenige, mit der nach dem Willen der Initiative die Beseitigung beziehungsweise Nutzungseinschränkung bereits errichteter und bislang rechtmäßiger Werbeanlagen angeordnet werden soll – sei nicht mit dem Eigentumsgrundrecht der betroffenen Grundeigentümerinnen und -eigentümer vereinbar. Der Entwurf berücksichtige nicht ausreichend, dass ein Eingriff in früher erworbene Rechte nur möglich sei, wenn hierfür schwerwiegende Gründe vorlägen, die Vorrang vor dem Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger auf den Fortbestand ihres Rechts hätten. Insbesondere lasse die Regelung keine hinreichende Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu, etwa der örtlichen Lage und Gestaltung der Werbeanlage, der Laufzeit der erteilten Genehmigung oder der Höhe der getätigten Investitionen.
Im Übrigen sei das Volksbegehren mit höherrangigem Recht vereinbar. Anders als der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg meine, sei der Entwurf in allen wesentlichen Teilen inhaltlich nachvollziehbar und aus sich heraus hinreichend verständlich. Auch würden in der Begründung die erwarteten Auswirkungen der Neuregelungen so deutlich dargestellt, dass die Stimmberechtigten die Vor- und Nachteile hinreichend nachvollziehen könnten. Eine Verschleierung der Rechtslage oder eine Irreführung der Stimmberechtigten finde nicht statt. Auch das Haushaltsrecht der Bürgerschaft werde nicht wesentlich beeinträchtigt.
Der Gesetzentwurf der Volksinitiative im Übrigen sei auch mit den Grundrechten vereinbar. Die Regelungen des Gesetzentwurfs seien nicht unverhältnismäßig und schafften für künftig neu zu errichtenden Anlagen einen Interessenausgleich. Sie berücksichtigten die Belange der betroffenen Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer hinreichend, etwa indem sie in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise zwischen Eigen- und Fremdwerbung unterschieden und erstere in größerem Umfang erlaubten. Der Gesetzentwurf führe überdies einen Ausgleich zwischen den Informationsinteressen der Bevölkerung und dem Ziel herbei, Werbeanlagen im öffentlichen Raum zu reduzieren. Werbung für kulturelle, politische, sportliche und ähnliche Veranstaltungen würde zwar privilegiert. Das stehe aber mit dem Ziel der Neuausrichtung des öffentlichen Raums in Einklang und entspreche dem insoweit gegenüber kommerzieller Werbung gesteigerten Informationsinteresse der Bevölkerung.
Quelle: Hamburgisches Verfassungsgericht