EU-Recht - 20. Mai 2022

Vertragsverletzungsverfahren: Kommission leitet in drei Fällen rechtliche Schritte gegen Deutschland ein

EU-Kommission, Pressemitteilung vom 19.05.2022

Die Europäische Kommission leitet regelmäßig rechtliche Schritte gegen Mitgliedstaaten ein, die ihren Verpflichtungen aus dem EU-Recht nicht nachkommen. Gegen Deutschland wurden am 19.05.2022 drei Vertragsverletzungsverfahren in den Bereichen „Justiz“, „Steuern und Zollunion“ sowie „Energie und Klima“ eingeleitet oder weitergeführt.

Nachfolgend eine Übersicht nach Politikbereichen:

Justiz

Datenschutz: Kommission fordert von DEUTSCHLAND ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie zum Datenschutz bei der Strafverfolgung

Die Europäische Kommission hat am 19.05.2022 beschlossen, ein Aufforderungsschreiben an Deutschland (INFR(2022)2030) zu richten, weil das Land seinen Verpflichtungen aus der Richtlinie zum Datenschutz bei der Strafverfolgung (Richtlinie (EU) 2016/680) nicht nachgekommen ist. Deutschland hat die Bestimmung, wonach die Datenschutzaufsichtsbehörden über wirksame Abhilfebefugnisse unterschiedlicher Art verfügen müssen, nicht ordnungsgemäß umgesetzt. Dazu gehören Warnhinweise, Anordnungen, um Verarbeitungsvorgänge mit den Datenschutzvorschriften in Einklang zu bringen, insbesondere durch die Anordnung von Berichtigungen oder Löschungen personenbezogener Daten oder Einschränkungen der Verarbeitung, sowie eine vorübergehende bzw. endgültige Beschränkung oder ein Verbot der Verarbeitung. Die Datenschutzaufsichtsbehörden müssen in der Lage sein, ihre Befugnisse gegenüber den Verantwortlichen und/oder den Auftragsverarbeitern auszuüben. Nach Auffassung der Kommission stellt die ordnungsgemäße Umsetzung der Bestimmungen über die Befugnisse der Datenschutzaufsichtsbehörden ein wesentliches Element für die wirksame Gewährleistung des Grundrechts auf den Schutz personenbezogener Daten dar. Im April 2022 hatte die Kommission Aufforderungsschreiben an mehrere Mitgliedstaaten gerichtet, weil die Länder diese Richtlinie nicht fristgerecht und ordnungsgemäß umgesetzt hatten. Deutschland hat nun zwei Monate Zeit, um der Kommission zu antworten und die erforderlichen Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Andernfalls kann die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme übermitteln.

Steuern und Zollunion

Steuern: Kommission fordert DEUTSCHLAND auf, seine Vorschriften für nach dem 1. Januar 2010 abgeschlossene Riester-Rentenverträge mit dem EU-Recht in Einklang zu bringen

Die Kommission hat am 19.05.2022 beschlossen, ein Aufforderungsschreiben an Deutschland zu richten (INFR(2022)4014), in dem sie das Land auffordert, seine Steuervorschriften zu Verträgen der zusätzlichen Altersvorsorge zu ändern. In Deutschland ansässige Personen, die in einem anderen EU-/EWR-Land beschäftigt sind, erhalten gemäß diesen Vorschriften für Verträge der zusätzlichen Altersvorsorge, die nach dem 1. Januar 2010 abgeschlossen wurden, keine Altersvorsorgezulage und können die Beiträge steuerlich nicht als Sonderausgaben absetzen. Derzeit können nur Personen, die in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind, diese Vergünstigungen in Anspruch nehmen. Grundsätzlich muss ein Arbeitnehmer im Sozialversicherungssystem eines einzigen Mitgliedstaats – in der Regel des Mitgliedstaats seiner Beschäftigung – versichert sein. Ein in Deutschland wohnhafter Arbeitnehmer, der in einem anderen Mitgliedstaat arbeitet, unterliegt daher den Sozialversicherungsvorschriften dieses Mitgliedstaats und kann nicht wählen, in die deutsche gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen. Er kann sich jedoch für eine zusätzliche Altersvorsorge in Deutschland in Form eines Rentensparvertrags entscheiden. Allerdings kann dieser Arbeitnehmer, dessen im Ausland erwirtschafteten Einkünfte in Deutschland besteuert werden, die oben genannten Vergünstigungen für diesen Vertrag nicht in Anspruch nehmen. Die deutschen Vorschriften scheinen daher die in Artikel 45 AEUV und Artikel 28 des EWR-Abkommens verankerte Arbeitnehmerfreizügigkeit einzuschränken. Kommt Deutschland der Aufforderung nicht binnen zwei Monaten in zufriedenstellender Weise nach, kann die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die deutschen Behörden übermitteln.

Energie und Klima

Erneuerbare Energien: Kommission fordert KROATIEN, ZYPERN, DEUTSCHLAND, GRIECHENLAND, UNGARN, IRLAND, LUXEMBURG, POLEN, PORTUGAL und RUMÄNIEN zur Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie auf

Die Kommission hat am 19.05.2022 beschlossen, mit Gründen versehene Stellungnahmen an Kroatien, (INFR(2021)0248), Zypern (INFR(2021)0169), Deutschland (INFR(2021)0192), Griechenland (INFR(2021)0209), Ungarn (INFR(2021)0256), Irland (INFR(2021)0260), Luxemburg (INFR(2021)0286), Polen (INFR(2021)0317), Portugal (INFR(2021)0326) und Rumänien (INFR(2021)0333) zu richten, weil diese Länder die EU-Vorschriften zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Richtlinie (EU) 2018/200) nicht vollständig in nationales Recht umgesetzt haben. Die Richtlinie schafft den rechtlichen Rahmen für die Entwicklung erneuerbarer Energieträger in der EU für die Strom-, Wärme- und Kälteerzeugung sowie den Verkehr. Gemäß der Richtlinie müssen bis 2030 EU-weit mindestens 32 Prozent der Energie aus erneuerbaren Energiequellen stammen, und es müssen Maßnahmen im Hinblick auf die Kostenwirksamkeit von Fördermaßnahmen und die Vereinfachung von Verwaltungsverfahren für Vorhaben im Bereich der erneuerbaren Energien ergriffen werden. Die Richtlinie erleichtert auch die Beteiligung der Bürger/innen an der Energiewende und enthält spezifische Zielvorgaben für die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien in den Bereichen Wärme- und Kälteerzeugung sowie Verkehr bis 2030. Außerdem enthält sie strengere Kriterien für die Gewährleistung der Nachhaltigkeit von Bioenergie. Die Frist für die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht endete am 30. Juni 2021. Im Juli 2021 übermittelte die Kommission ein Aufforderungsschreiben an alle genannten Mitgliedstaaten. Bisher haben Kroatien, Deutschland, Ungarn, Polen, Portugal und Rumänien der Kommission keine klaren und genauen Informationen über die nationalen Maßnahmen zur Umsetzung der einzelnen Bestimmungen der Richtlinie übermittelt. Zypern, Griechenland, Irland und Luxemburg haben nur einen Teil der erforderlichen nationalen Maßnahmen mitgeteilt. Die fraglichen Staaten haben nun zwei Monate Zeit, um ihren Verpflichtungen nachzukommen und dies der Kommission mitzuteilen. Andernfalls kann die Kommission beschließen, den Gerichtshof der Europäischen Union mit den Fällen zu befassen.

Quelle: EU-Kommission