Verbraucherinformationsgesetz (VIG) - 20. Dezember 2019

Verbraucher können Auskunft über lebensmittelrechtliche Kontrollen in Betrieben verlangen

VGH Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 20.12.2019 zum Beschluss 10 S 1891/19 u. a. vom 13.12.2019

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat am 13. Dezember 2019 in sieben Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden, dass rechtlich kein Grund besteht, die von den Verwaltungsbehörden beabsichtigte Übermittlung von Informationen zu lebensmittelrechtlichen Betriebsprüfungen in Filialen von Lebensmittelmärkten und Bäckereien vorläufig zu stoppen.

In den Verfahren haben Privatpersonen mithilfe der Internetplattform „TopfSecret“, die von den Verbraucherorganisationen „Foodwatch“ und „FragDenStaat“ betrieben wird, bei der jeweils zuständigen Verwaltungsbehörde Auskunft nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) über die beiden letzten lebensmittel-rechtlichen Kontrollen in einer von ihnen angegebenen Betriebsfiliale beantragt. Gegen den stattgebenden, bislang aber noch nicht durch die begehrte Informationserteilung vollzogenen Bescheid der Verwaltungsbehörde legten die Betreiber der betroffenen Filialen Widerspruch ein und beantragten gegen die bevorstehende Informationserteilung beim Verwaltungsgericht vorläufigen Rechtsschutz. Die Betreiber begründeten ihre bei Gericht gestellten Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz unter anderem damit, dass die beabsichtigte Informationserteilung gesetzes- und verfassungswidrig sei, insbesondere ihre grundrechtlich verbürgte Berufsfreiheit verletze, aber auch gegen europäisches Recht verstoße. Mit hoher Wahrscheinlichkeit würden die an die Privatpersonen übermittelten Informationen anschließend über die Internetplattform „TopfSecret“ hochgeladen und damit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Damit entfalte eine solche Verbraucherinformation im Ergebnis die gleiche Wirkung wie eine unmittelbare behördliche Information der Öffentlichkeit, die aber gesetzlich an strenge Voraussetzungen gebunden sei. Diese gesetzlichen Hürden hätten folglich auch bei der hier beabsichtigten Informationserteilung nach dem VIG berücksichtigt werden müssen. Außerdem unterliege die Weiterverbreitung der an eine Privatperson nach dem VIG übermittelten Informationen durch eine Veröffentlichung im Internet keiner behördlichen Kontrolle mehr, sodass für einen betroffenen Betrieb die Gefahr bestehe, dauerhaft an den Pranger gestellt zu werden. Dies könne zu ungerechtfertigten Marktverschiebungen und Umsatzeinbußen führen.

Die von den Betreibern gestellten Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz hatten beim 10. Senat des VGH keinen Erfolg. Aus den Begründungen der Beschlüsse vom 13. Dezember 2019 geht hervor, dass der VGH den von den Betreibern vorgebrachten Argumenten insgesamt nicht gefolgt ist: Zu Recht seien die Verwaltungsbehörden davon ausgegangen, dass die Privatpersonen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG einen Anspruch auf Zugang zu den von ihnen begehrten Informationen haben. Ein Verstoß gegen Verfassungs- oder Europarecht könne nicht festgestellt werden; durch das VIG sei das behördliche Verhalten gedeckt. Für den individuellen Informationszugangsanspruch sei es rechtlich unerheblich, dass eine Privatperson bei der Antragstellung durch die Internetplattform „TopfSecret“ unterstützt werde. Der Anspruch hänge nach dem VIG auch nicht von einer mutmaßlichen Weiterverwendung der so erlangten Informationen durch die Privatpersonen ab. Die Weiterverwendung rechtmäßig erlangter Informationen sei europarechtlich und bundesgesetzlich getrennt von der Frage des Informationszugangs geregelt. Danach sei allein die jeweilige Privatperson für eine Weiterverwendung verantwortlich, wobei eine Weiterverwendung – jedenfalls im Grundsatz – auch zulässig sei. Sehe sich ein Filialbetreiber durch eine Veröffentlichung auf der Internetplattform „TopfSecret“ in seinen Rechten verletzt, so stünde ihm der Weg zu den Zivilgerichten offen. Die nach § 40 Abs. 1a LFGB (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch) für eine von Amts wegen erfolgende Information der Öffentlichkeit geltenden Standards zur Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand seien auf den antragsabhängigen individuellen Informationszugang nach dem VIG nicht zu übertragen. Der Gesetzgeber habe hier bewusst unterschiedliche Regelungsgegenstände geschaffen („zwei Säulen, die sich ergänzen“). An diese gesetzlichen Vorgaben seien Gerichte und Behörden gebunden.

Die im Beschwerdeverfahren ergangenen Beschlüsse des VGH sind nicht anfechtbar (Az. 10 S 1891/19, 10 S 2077/19, 10 S 2078/19, 10 S 2614/19, 10 S 2647/19, 10 S 2685/19 und 10 S 2687/19).