Zivilrecht - 11. November 2021

Überschrittene Fahrleistung in der Kaskoversicherung

LG Koblenz, Pressemitteilung vom 11.11.2021 zum Urteil 16 S 2/21 vom 01.09.2021 (rkr)

Kann die Versicherung auf Grund ihrer Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) eine Vertragsstrafe verlangen, wenn ein Versicherungsnehmer die im Versicherungsvertrag vereinbarte maximale Fahrleistung pro Jahr überschreitet und dies nicht anzeigt? Diese Frage hatte die 16. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu beantworten.

Sachverhalt

Der Beklagte versicherte sein Kfz bei der Klägerin im Rahmen einer Kaskoversicherung. Als maximale Fahrleistung waren 15.000 km pro Jahr vereinbart. Im Rahmen einer Unfallregulierung fiel der Klägerin auf, dass diese Jahresfahrleistung durch den Beklagten überschritten worden war. Die Klägerin verlangte daraufhin auf Grundlage ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) von dem Beklagten eine Vertragsstrafe von 500 Euro.

Entscheidung

Das Landgericht Koblenz hat die Klage abgewiesen, da die zugrundeliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AKB) nach Ansicht der Kammer hinsichtlich der Vertragsstrafenregelung gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB verstoßen und die Regelung daher unwirksam ist. Die Vertragsstrafe benachteiligt den Versicherungsnehmer nach Ansicht der Richter unangemessen, da diese die Höhe der Vertragsstrafe im Verhältnis zum Verstoß und zu seinen Folgen für den Vertragspartner für unverhältnismäßig erachteten. Dabei hat die Kammer durchaus berücksichtigt, dass die zu Grunde gelegte Fahrleistung mit Prämienvorteilen korrespondiert und eine Änderung der Bemessungsgrundlage, mithin eine Erhöhung der Fahrleistung zu einer neuen Berechnung wegen der Erhöhung des Risikos infolge der erhöhten Fahrleistung führt. Eine Sanktion für die Nichtanzeige der erhöhten Fahrleistung sieht die Kammer daher grundsätzlich auch nicht als unbillig an, da es sonst jedem Versicherungsnehmer risikolos möglich wäre, zu Lasten der Versichertengemeinschaft bei Antragstellung unangemessen niedrige Jahreskilometerangaben zu machen, um eine möglichst niedrige Versicherungsprämie zu zahlen. Auch entspricht eine Vertragsstrafe grundsätzlich den Musterbedingungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Die hiesige Regelung wich allerdings ganz erheblich von diesen Musterbedingungen ab. Diese sehen eine Vertragsstrafe nämlich nur bei Vorsatz vor. Bei einem vorsätzlichen Verstoß hätte die Kammer gegen die Höhe der Vertragsstrafe auch keine Bedenken, da diese um ihre Druck- und Kompensationsfunktion zu erfüllen, auch spürbar sein muss. Die hier streitgegenständlichen Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung stellten jedoch auf eine bloß schuldhafte Nichtanzeige ab und sahen damit auch bei (einfach) fahrlässigem Verhalten eine Vertragsstrafe in dieser Höhe vor. Dementsprechend wäre hier bei der erforderlichen abstrakten, vom Einzelfall gelösten Betrachtung nach den streitgegenständlichen AKB bereits bei einer fahrlässigen Nichtanzeige von einer Überschreitung der Jahresfahrleistung von nur einem Kilometer und einem deshalb zu niedrig angesetzten Beitrag von 0,01 Euro eine Vertragsstrafe von 500 Euro verwirkt. Bei einem einfach fahrlässigen Verstoß steht diese Höhe der Vertragsstrafe im Hinblick auf das ggf. geringe Gewicht des Vertragsverstoßes jedoch außer Verhältnis zu dessen Folgen.

Auszug aus dem bürgerlichen Gesetzbuch

§ 307 Inhaltskontrolle

(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

  1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
  2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) 1Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. 2Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Quelle: LG Koblenz