LSG Berlin-Brandenburg, Pressemitteilung vom 30.09.2019 zum Urteil L 15 SO 181/18 vom 11.07.2019 (nrkr)
Der 15. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg hat am 11. Juli 2019 eine Leitentscheidung zu Sozialhilfeansprüchen von Unionsbürgern getroffen, die nun an die Beteiligten zugestellt und veröffentlicht worden ist (Az. L 15 SO 181/18).
Streitig war der Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt einer in Prag geborenen Klägerin, die sowohl die tschechische als auch die syrische Staatsangehörigkeit besitzt, lange in Syrien lebte und kriegsbedingt 2015 nach Deutschland einreiste.
Die Klägerin hatte nach den Feststellungen des 15. Senats keinen Anspruch auf reguläre Leistungen der Sozialhilfe. Denn sie besaß kein europarechtliches – „materielles“ – Freizügigkeitsrecht oder sonstiges Aufenthaltsrecht (Rechtsgrundlage: § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII -).
Im Zentrum der Entscheidung stand die Frage, ob die Klägerin als Unionsbürgerin gänzlich von Leistungen der Sozialhilfe ausgeschlossen sein kann. Denn sie ist gegenüber anderen Ausländerinnen privilegiert: Auch wenn Unionsbürgerinnen objektiv kein Freizügigkeitsrecht besitzen, gilt ihr Aufenthalt als rechtmäßig, solange die Ausländerbehörde ihn nicht rechtswirksam beendet hat. Sie sind bis dahin ausländerrechtlich nicht zur Ausreise verpflichtet.
Der 15. Senat hat die Frage grundsätzlich verneint. Er hat entschieden, dass Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht Anspruch auf sogenannte Überbrückungsleistungen haben, solange die Ausländerbehörde gegen sie keine bestandskräftige und weiterhin wirksame Ausweisungsverfügung erlassen hat, die mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot verknüpft ist.
Überbrückungsleistungen sind Leistungen zur Sicherung des laufenden Lebensunterhalts, die niedriger sind als die regulären Leistungen der Sozialhilfe. Sie sind zeitlich befristet bis zu einer möglichen Ausreise u. a. für den von § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII erfassten Personenkreis (Rechtsgrundlage § 23 Abs. 3 Sätze 3 bis 6 SGB XII).
Die vom 15. Senat zugelassene Revision zum Bundessozialgericht ist inzwischen eingelegt worden (Az. B 8 SO 7/19 R).