Zivilrecht - 25. August 2020

Textbausteine allein genügen nicht: Auch 146 Seiten Berufungsbegründung können unzulässig sein

OLG Köln, Pressemitteilung vom 25.08.2020 zum Beschluss 15 U 171/19 vom 18.08.2020

Eine Berufungsbegründungsschrift, die sich weitgehend aus Textbausteinen, Urteilsversatzstücken etc. zusammensetzt und auf das angegriffene erstinstanzliche Urteil – wenn überhaupt – „sporadisch“ eingeht, genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht. Darauf hat der 15. Senat des Oberlandesgerichts Köln mit Beschluss vom 24.03.2020 hingewiesen und nunmehr mit Beschluss vom 18.08.2020 eine entsprechende Berufung als unzulässig verworfen.

Die Klägerin hatte im Zusammenhang mit dem „Dieselskandal“ Hersteller und Verkäufer des Fahrzeugs auf Rückabwicklung des Kaufvertrags und Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht Köln hatte die Klage wegen Bedenken an der Substantiierung abgewiesen. Daraufhin hat die Klägerin Berufung beim Oberlandesgericht Köln eingelegt.

Zur Begründung seiner Auffassung führt der Senat im Einzelnen zu den Anforderungen an eine Berufungsbegründungsschrift aus. Diese ergeben sich aus § 520 ZPO. Danach muss deutlich werden, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen beantragt werden (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO). Es müssen die Umstände bezeichnet werden, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben (Nr. 2). Weiter müssen konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen begründen (Nr. 3), benannt werden. Schließlich müssen neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie die Tatsachen, aufgrund derer sie zuzulassen sind, bezeichnet werden (Nr. 4).

Trotz des stolzen Umfangs von 146 Seiten sei die Begründung der Berufung nicht ausreichend, so der Senat. Um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden, müsse eine Berufungsbegründung nämlich auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Diese Anforderung sei nicht erfüllt. Vielmehr ähnle die Darstellung teilweise einem allgemeinen Rechtsgutachten zur Dieselkrise mit umfassend Ausführungen zur „Historie“, wohingegen die im vorliegenden Fall primär zu prüfenden Fragen ausgeblendet worden seien.

In der Berufungsbegründung fehle jeder Einzelfallbezug und jede Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil. Der Schriftsatz verwende die geschlechtsneutrale Formulierung „die Klagepartei“ und sei ersichtlich so aufgebaut, dass er pauschal zur Begründung jedweder gegen einen Hersteller von Dieselfahrzeugen gerichteten Klage genutzt werden könne. Die konkreten Formulierungen ließen sogar erkennen, dass viele Textbausteine schon im Ansatz nicht für eine Berufungsbegründung, sondern für eine erstinstanzliche Klage gedacht gewesen seien. Die Schreibvorlage habe offenbar sowohl Euro 5- als auch Euro 6-Fahrzeuge verschiedener Motorentypen abdecken sollen. Dem Gericht seien in dem Schriftsatz teilweise alternativ zu lesende Auswahlbegründungen vorgegeben worden, ohne dass man sich die Mühe gemacht habe, sich in den Textbausteinen zumindest am Ende fallbezogen festzulegen. So sei beispielsweise unter Beweisantritt ausgeführt worden, bei dem Fahrzeug sei „kein/ein“ Ad-Blue-Tank verbaut.

Dem Senat seien damit nur in sich geschlossene Textbausteine vorgetragen worden, aus denen er sich das Gebotene selbst hätte heraussuchen müssen. Wie wenig Mühe man sich gemacht habe, zeige auch, dass in der Berufungsbegründung der Umfang der Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils („über den bereits zugesprochenen Umfang hinaus“), das Datum des angefochtenen Urteils und der Kaufpreis des Fahrzeugs unrichtig wiedergegeben worden seien. Insgesamt habe sich die Berufungsbegründung mit dem Urteil des offenbar als „Durchlaufstation“ empfundenen Landgerichts im Einzelnen gar nicht mehr auseinandersetzt, sondern darauf gesetzt, dass das Berufungsgericht sich aus den mannigfachen Textbausteinen und dem Sachvortrag nach dem Gießkannenprinzip selbst das Passende „heraussuchen“ werde.

Auch wenn man – ausdrücklich – keine überzogen strengen Anforderungen an die inhaltlichen Anforderungen an eine Berufungsbegründung stellen wolle, genüge dieser Schriftsatz den gesetzlichen Anforderungen jedoch nicht.