Wettbewerbszentrale, Pressemitteilung vom 14.12.2021 zum Beschluss 406 HKO 129/21 des LG Hamburg vom 07.12.2021 (nrkr)
Das Landgericht Hamburg hat einem Hamburger Unternehmen ohne mündliche Verhandlung vorläufig untersagt, für die Ausstellung von Selbsttestzertifikaten zu werben oder Testzertifikate auszustellen, sofern der Test nicht von dem ausstellenden Arzt oder der Ärztin vorgenommen und überwacht wird (LG Hamburg, Beschluss vom 07.12.2021, Az. 406 HKO 129/21, nicht rechtskräftig).
Online-Selbsttest per Fragebogen
Das Unternehmen warb auf seiner Internetseite für ein Selbsttest-Zertifikat „für freien Zugang für alle zu Restaurant, Arbeit, Bus & Bahn etc.“ Die Zertifikate sollen laut Werbung überall dort eingesetzt werden können, wo die „3G-“ oder „2G+“-Regel gilt. In drei Schritten solle man zum Testzertifikat gelangen: Durch einen Selbsttest, die Beantwortung eines Fragebogens und die kurz danach erfolgende Übersendung des Testzertifikates als PDF-Datei.
Nachdem bei der Wettbewerbszentrale etliche Beschwerden und Anfragen zu diesem Angebot eingegangen waren, hat sie probeweise die Bestellung eines Testzertifikats durchgeführt. Dabei wurde das mitgeteilte Testergebnis nicht kontrolliert oder angefordert. Trotzdem wurde von einer Ärztin das Testzertifikat für das Ergebnis eines Selbsttests ausgestellt. Obwohl kein Kontakt mit der Ärztin stattgefunden hatte, bestätigte sie auf dem Zertifikat, dass die in dem Zertifikat genannte Person keine Symptome habe und nicht mit dem Coronavirus infiziert sei, da sie einen negativen Antigen-Test gemacht habe „unter meiner fachärztlichen Überwachung meiner Arztpraxis…“.
Leistungserbringer muss Test vornehmen oder überwachen
Die Wettbewerbszentrale hat die Werbung als irreführend beanstandet. Nach ihrer Auffassung wird der unzutreffende Eindruck erweckt, es handele sich um ein rechtswirksames Testzertifikat, das überall dort, wo Testnachweise notwendig sind, vorgelegt werden könne. Die Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung sieht aber für einen gültigen Testnachweis vor, dass dieser von einem Leistungserbringer vorgenommen oder überwacht wurde. Die Ausstellung eines Testnachweises ohne jeglichen Arztkontakt entspricht diesen Vorgaben nach Auffassung der Wettbewerbszentrale nicht. Zudem waren die Angaben auch inhaltlich unzutreffend, weil der Test entgegen den Angaben weder in einer Arztpraxis noch unter fachärztlicher Aufsicht durchgeführt wurde. Die Gegenseite argumentierte, die gesetzlich vorgeschriebene ärztliche Überwachung sei auch mittels eines online-Fragebogens möglich.
Werbung für digitale Krankschreibungen ohne Arztkontakt ebenfalls untersagt
Die Wettbewerbszentrale war bereits zuvor gegen die Werbung des Unternehmens für digital ausgestellte Krankschreibungen ohne Arztkontakt vorgegangen. Diese waren ebenfalls auf Bestellung erhältlich, indem der Interessent einen Fragebogen ausfüllte, dort unter anderem seine Symptome ankreuzte und angab, für wie lange er krankgeschrieben werden wollte. Ein „Privatarzt“ stellte dann die Bescheinigung aus. Die Wettbewerbszentrale beanstandete das unter anderem als Verstoß gegen das Verbot der Werbung für Fernbehandlungen.
Das Landgericht Hamburg hatte die Werbung bereits untersagt, nun hat das OLG Hamburg die Berufung des Unternehmens zurückgewiesen (OLG Hamburg, Hinweisbeschluss vom 01.10.2021 und Zurückweisungsbeschluss vom 19.10.2021, Az. 3 U 148/20; nicht rechtskräftig). Ein solches Modell, wonach die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ohne persönlichen Kontakt zu Ärztin oder Arzt ausgestellt wird, entspricht nach Auffassung der Richter nicht den ärztlichen fachlichen Standards. Deshalb dürfe dafür auch nicht geworben werden. Irreführend seien auch Aussagen wie „100% Akzeptanz bei Arbeitgebern und Krankenkassen“. Eine ordnungsgemäße Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, wie sie für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall notwendig sei, liege gerade nicht vor.
Quelle: Wettbewerbszentrale