Sozialrecht - 21. Februar 2022

Sozialgericht Karlsruhe lehnt Versorgung mit Cannabispräparat ab

SG Karlsruhe, Pressemitteilung vom 21.02.2022 zum Urteil S 15 KR 2520/20 vom 27.01.2022 (nrkr)

Eine Versorgung mit Cannabisarzneimitteln durch die gesetzliche Krankenversicherung kommt erst in Betracht, wenn geeignete, allgemein anerkannte und dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethoden nicht mehr zur Verfügung stehen. Dies entschied das Sozialgericht Karlsruhe im Fall eines 27-jährigen Auszubildenden und wies dessen Klage gegen seine Krankenkasse auf Versorgung mit einem Cannabispräparat ab.

Bei dem 27-Jährigen diagnostizierten seine behandelnden Ärzte ein chronisches Schmerzsyndrom. Er leidet unter starken dauerhaften Schmerzen, vor allem im Bereich des unteren Rückens mit Ausstrahlungen in beide Beine. Die zunächst verschriebenen Schmerzmittel führten nicht zur erhofften Linderung der Schmerzsymptomatik. Der behandelnde Arzt verordnete dem Kläger deshalb ein Mundspray, das Cannabisextrakte enthält und üblicherweise zur Behandlung von Multipler Sklerose verwendet wird. Mit dieser Medikation konnte nach übereinstimmender Einschätzung des Patienten und seines Arztes eine deutliche Schmerzlinderung erreicht werden.

Die Kosten für das Medizinal-Cannabis zu übernehmen, war die Krankenkasse des Klägers jedoch nicht bereit. Sie verwies auf alternative Behandlungsmöglichkeiten, die noch nicht ausgeschöpft seien. In Betracht kämen u. a. eine sog. multimodale Therapie, ein aktivierendes Training, Rehabilitationsbehandlungen und eine psychotherapeutische Mitbehandlung. Bei dieser Sachlage sei eine Kostenübernahme der beantragten Therapie mit Cannabinoiden nach den gesetzlichen Vorgaben nicht möglich.

Mit seinem am 21.02.2022 veröffentlichten Urteil vom 27.01.2022 (Az. S 15 KR 2520/20) gab das Sozialgericht Karlsruhe der Krankenkasse Recht. Eine Versorgung mit Cannabisarzneimitteln komme nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen in Betracht. Diese seien im Fall des Klägers nicht erfüllt, befanden die Richterinnen und Richter der 15. Kammer. Da der behandelnde Arzt lediglich ein Privatrezept ausgestellt habe, fehle es schon an der erforderlichen ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Verordnung des Medikaments. Außerdem seien die Behandlungsmöglichkeiten noch keineswegs ausgeschöpft. Es stünden noch verschiedene allgemein anerkannte und dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmöglichkeiten als Alternative zur Verfügung. Dies schließe eine Versorgung mit Cannabisarzneimitteln nach geltender Gesetzeslage aus.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; es kann vom Kläger mit der Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg in Stuttgart angefochten werden.

Hinweise auf einschlägige Rechtsvorschriften

Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) – Gesetzliche Krankenversicherung

§ 31 SGB V – Arznei- und Verbandmittel, Verordnungsermächtigung

(6) 1Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung

a) nicht zur Verfügung steht oder

b) im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,

2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.

Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist.

Quelle: SG Karlsruhe