Zivilrecht - 3. Januar 2023

Schmerzensgeld und Schadensersatz für Verletzung bei Tandem-Fallschirmsprung

LG Köln, Mitteilung vom 30.12.2022 zum Urteil 3 O 176/19 vom 07.12.2022 (nrkr)

Fliegen ist ein Menschheitstraum, der durch einen Fallschirmsprung für kurze Zeit wahr werden kann – allerdings ist ein Sprung mit hohen Risiken behaftet.

Das Landgericht Köln entschied nun, dass ein Tandem-Fallschirmspringer, der sich bei der Landung schwer verletzt hat, Schmerzensgeld und Schadensersatz erhält.

Der Kläger buchte bei der Beklagten einen Tandem-Fallschirmsprung. Die Beklagte mit Sitz in Köln führt ihre Tandemsprünge von einem kleinen Flugplatz in der Eifel durch. Dabei ist der Tandem-Passagier mit dem Tandem-Piloten über ein Spezialgurtzeug fest verbunden. Nach ca. 20-minütigem Flug auf die richtige Höhe steigt das Tandem aus dem Flugzeug aus, fällt ca. 45-55 Sekunden im freien Fall senkrecht nach unten, öffnet den Fallschirm und landet dann nach einer Schwebephase von ca. weiteren 5-10 Minuten auf dem Sprungplatz. Vor dem Sprung unterzeichnete der Kläger einen Beförderungsvertrag mit Haftungsausschlusserklärung, in dem auf eine Unfallgefahr bei der Landung hingewiesen wurde. Die Landung auf dem Sprungplatz war hart. Der Kläger musste mit starken Schmerzen von einem Hubschrauber ins nächstgelegene Krankenhaus transportiert werden.

Der Kläger zog sich durch die Landung einen Wirbelkörperbruch (BWK 12) mit einer Rückenmarkskontusion zu und leidet seitdem unter starken Schmerzen, besonders bei Belastung. Der Kläger forderte von der Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 20.000,00 Euro, materiellen Schaden i. H. v. 7.769,35 Euro, die außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren sowie die Feststellung, dass alle zukünftigen Schäden von der Beklagten zu erstatten sind.

Der Kläger behauptet, der Tandem-Pilot habe die Landung nicht richtig durchgeführt, sodass sie viel zu schnell den Boden berührt hätten. Er sei mit dem Gesäß aufgeschlagen und habe dabei einen brennenden Schmerz verspürt. Die Beklagte ging von einer schulbuchmäßigen Landung aus.

Das Landgericht hat nun entschieden, dass dem Kläger ein Schmerzensgeld i. H. v. 20.000,00 Euro, materieller Schaden i. H. v. 6.838,45 Euro sowie die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zustehen. Außerdem hat das Gericht festgestellt, dass die Beklagte für alle zukünftigen Schäden aus dem Flugunfall haftet.

Ein Anspruch ergibt sich aus der verschuldensunabhängigen Haftung des § 45 Abs. 1 LuftVG. Danach steht einem Fluggast Schadensersatz zu, wenn er durch einen Unfall an Bord eines Luftfahrzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen getötet, körperlich verletzt oder gesundheitlich geschädigt wird. Dieser Anspruch ist zwar der Höhe nach bei umgerechnet ca. 163.000,00 Euro begrenzt, die Schäden des Klägers liegen jedoch unterhalb dieser Grenze.

Die Parteien haben ein Luftbeförderungsvertrag abgeschlossen. Ein solcher Vertrag liegt auch dann vor, wenn es den Flugzeuginsassen nur darum geht, in den Luftraum zu gelangen, um die durch das Flugzeug erreichte Höhe zu nutzen. Eine bestimmte Ortsveränderung muss dadurch nicht erreicht werden. Bei der Landung hat sich der Kläger schwer verletzt. Der vertragliche Schutz des Passagiers umfasst dabei auch das Aussteigen, auch mit Fallschirm, jedenfalls solange sich der Fluggast noch in der Obhut des Tandem-Piloten befindet. Bei der Verletzung des Klägers während des Landevorgangs hat sich genau das Risiko verwirklicht, das bei der Verwendung eines Fallschirms besteht. Die Beklagte konnte ihre Haftung gegenüber dem Passagier nicht ausschließen, da dieser formularmäßige Ausschluss unwirksam ist. Allerdings tritt die Haftungsbegrenzung bei einem Betrag von ca. 163.000,00 Euro pro Flug ein, da der Beklagten der Entlastungsbeweis gelungen ist, dass der Unfall nicht durch ein Verschulden des Tandem-Piloten herbeigeführt worden ist. Für einen Schaden oberhalb der Haftungsgrenze trifft den Luftfrachtführer zwar eine Haftung aus vermutetem Verschulden. Von diesem Vorwurf konnte er sich aber entlasten.

Das Gericht ist nach Prüfung durch einen Sachverständigen davon überzeugt gewesen, dass für einen Tandemsprung ideale Wetterbedingungen geherrscht hätten. Der Tandem-Pilot habe eine vorschriftsmäßige Landung durchgeführt. Allerdings hätten Turbulenzen in ca. 10 m Höhe zu einem Durchsacken des Fallschirms geführt, wodurch es zu einer harten Landung gekommen sei. Ein Verschulden des Tandem-Piloten liege jedoch nicht vor, da eine solche Turbulenz nicht im vornherein erkennbar sei und auch keine Möglichkeit bestanden habe, in den Landevorgang einzugreifen.

Ein Schmerzensgeld i. H. v. 20.000,00 Euro sei für die erlittenen Beeinträchtigung ausreichend und angemessen. Darüber hinaus sei dem Kläger ein Haushaltsführungsschaden entstanden, dessen Höhe vom Gericht geschätzt wurde. Dabei wurde in Ansehung der Tätigkeiten, die der Kläger im Haushalt durchgeführt hat, geschätzt, was ihm durch die unfallbedingten Beeinträchtigungen nicht mehr möglich ist. Weiterhin hat die Beklagte die Besuchsfahrten der Ehefrau zum Krankenhaus sowie die Fahrten des Klägers zu ärztlichen Behandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen zu ersetzen. Des Weiteren muss die Beklagte auch für alle weiteren noch auftretenden Schäden bis zur Haftungshöchstgrenze einstehen.

Die Entscheidung vom 07.12.2022 zum Az. 3 O 176/19 ist nicht rechtskräftig.

Quelle: LG Köln