EU-Recht - 11. August 2022

Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen: Finaler Text veröffentlicht

DATEV Informationsbüro Brüssel, Mitteilung vom 10.08.2022

Am 23.06.2022 wurde kurz über die erzielte Einigung von EU-Parlament und Rat zur Richtlinie im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (sog. CSRD) berichtet. Nachdem der finale Text (derzeit leider nur in englischer Sprache verfügbar) nun veröffentlicht ist, soll hier näher auf den Inhalt der Richtlinie eingegangen werden.

Ziel der CSRD ist, durch eine verbesserte Nachhaltigkeitsberichterstattung einen Beitrag zu den Zielen des Green Deals zu leisten und den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu erleichtern. Insbesondere von Seiten der Anleger ist in den letzten Jahren die Nachfrage nach Nachhaltigkeitsinformationen gestiegen, jedoch erwies sich die begrenzte Vergleichbarkeit und Zuverlässigkeit der Informationen als Hindernis. Die CSRD soll die Kluft zwischen dem Informationsbedarf der Nutzer und den von den Unternehmen bereitgestellten Informationen schließen, indem Nachhaltigkeitsinformationen besser vergleichbar, zuverlässig und für die Nutzer durch digitale Technologien leicht auffindbar werden sowie Unternehmen über EU-Berichterstattungsstandards relevante Informationen zur Verfügung stellen. Dazu werden die Rechnungslegungsrichtlinie 2013/34/EU, die Abschlussprüferrichtlinie 2006/43/EG und -verordnung (EU) Nr. 537/2014 sowie die Transparenzrichtlinie 2004/109/EG abgeändert.

Anwendungsbereich

Zukünftig werden mehr Unternehmen von Offenlegungspflichten betroffen sein. Dafür ist eine schrittweise Einführung der Bestimmungen vorgesehen:

  • ab dem Geschäftsjahr 2024 für Unternehmen, die bereits heute der CSR-Richtlinie unterliegen;
  • ab dem Geschäftsjahr 2025 für große Unternehmen (ab 250 Mitarbeitern und die derzeit nicht der CSR-Richtlinie unterliegen);
  • ab dem Geschäftsjahr 2026 für börsennotierte KMUs, kleine und nichtkomplexe Kreditinstitute und konzerneigene Versicherungsunternehmen (Ausnahme: börsennotierte Kleinstunternehmen)
    • Opt-Out-Klausel: Möglichkeit einer Übergangsfrist bis 2028, Sie müssen aber in ihrem Lagebericht kurz erklären, weshalb die Informationen nicht vorliegen.
    • Börsennotierte KMU haben die Möglichkeit ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung auf die folgenden Aspekte zu beschränken:
      • kurze Beschreibung zu ihrem Geschäftsmodell und der Strategien,
      • kurze Beschreibung der vom Unternehmen verfolgten Politiken/Konzepte im Nachhaltigkeitsbereich
      • tatsächliche und potenzielle negativen Auswirkungen und sowie alle ergriffenen Maßnahmen u. a. zu deren Identifizierung, Vermeidung, Abschwächung
      • tatsächliche Risiken machen und der Umgang damit
      • KPI.
  • ab dem Geschäftsjahr 2028 für Nicht-EU-Unternehmen mit einem Jahresnettoumsatz von mehr als 150 Mio. Euro in der EU und mind. einer Tochtergesellschaft oder Niederlassung in der EU
    • Die Berichterstattungspflicht liegt bei der EU-Tochtergesellschaft – wenn sie ein großes oder börsennotiertes Unternehmen ist- oder Niederlassung in der EU (mit einem Nettoumsatz von mehr als 40 Mio. Euro im vorangegangenen Finanzjahr). Die Nachhaltigkeitsberichte sind nach Berichterstattungsstandards für Drittstaaten, die von der EU-Kommission bis 30.06.2024 anzunehmen sind, zu erstellen. Sie haben auch die Möglichkeit auf die EU-Berichterstattungsstandards für großen Unternehmen zurückzugreifen oder Standards zu nutzen, die von der EU-Kommission als gleichwertig anerkannt werden. Sollten von einem Nicht-EU-Unternehmen nicht alle notwendigen Informationen für die Offenlegung übermittelt werden, muss die EU-Tochtergesellschaft oder EU-Niederlassung eine Erklärung abgeben, dass nicht alle erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt wurden. Die Nachhaltigkeitsberichte von Nicht-EU-Unternehmen müssen entweder nach dem Recht des Drittlandes oder dem Recht eines EU-Mitgliedstaates geprüft werden. Sollte kein Prüfurteil vorliegen hat die EU-Tochtergesellschaft oder EU-Niederlassung auch hier eine Erklärung abzugeben. Die Nachhaltigkeitsberichte (inkl. Prüfurteil und Erklärung) von Nicht-EU-Unternehmen sind innerhalb von 12 Monaten nach Bilanzstichtag gemäß Gesellschaftsrechtsrichtlinie in einem Unternehmensregister zu veröffentlichen.

Tochterunternehmen sind von Berichterstattungspflichten befreit, wenn sie in den konsolidierten Lagebericht des Mutterunternehmens einbezogen sind. Im Lagebericht des befreiten Tochterunternehmens müssen dann Angaben zum Namen und dem eingetragenen Sitz des Mutterunternehmens und ein Link zum konsolidierten Nachhaltigkeitsbericht und dem Prüfurteil aufgenommen werden. Die Befreiung gilt auch dann, wenn es sich bei dem auf konsolidierter Ebene Bericht erstattenden Mutterunternehmen um ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat handelt, sofern die (konsolidierte) Nachhaltigkeitsberichterstattung den europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung gleichwertig ist.

Die Ausnahmeregelung gilt nicht für große börsennotierte Tochterunternehmen.

Bedeutung für KMU

Durch den ausgeweiteten Anwendungsbereich der CSRD werden zukünftig mehr KMU indirekt von der Richtlinie betroffen sein. Da große Unternehmen der Berichtspflicht unterliegen, reichen sie “top down“ ihre Pflichten an die KMU in der Lieferkette durch. Daher werden KMU zukünftig Unterstützung bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber ihren Vertragspartnern benötigen, was einen erhöhten Beratungsbedarf zur Folge hat.

Umfangreichere Berichtsanforderungen

Das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit wird über die CSRD verankert. Zudem müssen Unternehmen – neben den bestehenden fünf Berichterstattungsbereichen (Geschäftsmodell, Konzepte (inkl. angewandte Due-Diligence-Prozesse), Ergebnisse der Konzepte, Risiken und deren Handhabung sowie Leistungsindikatoren) – zusätzlich Angaben machen u. a. zu:

  • Geschäftsstrategie und Widerstandfähigkeit des Geschäftsmodells und der Strategie gegenüber Risiken im Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte,
  • etwaigen Plänen, mit denen die Vereinbarkeit des Geschäftsmodells und der -strategie mit dem Übergang zu einer nachhaltigen klimaneutralen Wirtschaft und der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad sichergestellt werden als auch die Erreichung der Klimaneutralität
  • ob und wie ihr Geschäftsmodell und die Geschäftsstrategie den Interessen der Interessenträger Rechnung tragen
  • Umsetzung jener Aspekte der Geschäftsstrategie, die Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsaspekte haben oder davon betroffen sind
  • etwaigen Nachhaltigkeitszielen, die sich das Unternehmen gesetzt hat (inkl. Treibhausgasreduktionsziele für 2030 und 2050) und diesbezüglich erzielte Fortschritte
  • Rolle des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung im Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte sowie zu ihren Erfahrungen und Fähigkeiten, die Rolle auszuüben
  • Beschreibung der Unternehmenspolitik bezüglich Nachhaltigkeit
    • Informationen zu Anreizen für Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane, die an Nachhaltigkeitsaspekte geknüpft sind
  • Beschreibung zu umgesetzten Due-Diligence-Prozessen (ggf. im Einklang mit zukünftigen EU-Anforderungen, s. Vorschlag EU-Lieferkettengesetz)
    • wichtigste tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen im Zusammenhang mit der eigenen Geschäftstätigkeit und der Wertschöpfungskette des Unternehmens (einschließlich Produkte und Dienstleistungen), seiner Geschäftsbeziehungen und Lieferkette, eingeleitete Maßnahmen zur Identifizierung und Verfolgung der Auswirkungen sowie weiterer negativer Auswirkungen, die das Unternehmen nach dem zukünftigen EU-Lieferkettengesetz identifizieren muss
    • vom Unternehmen eingeleitete Maßnahmen und Ergebnisse dieser Maßnahmen zur Vermeidung, Abschwächung, Abhilfe oder Beendigung von tatsächlichen oder potenziellen negativen Auswirkungen

Unternehmen müssen außerdem Angaben zu dem Verfahren zur Ermittlung der o. g. Informationen für die Berichterstattung machen und dabei kurz-, mittel- und langfristige Zeithorizonte berücksichtigen. Die Richtlinie berücksichtigt, dass ggf. nicht alle erforderlichen Informationen in den Wertschöpfungsketten zum Zeitpunkt der Anwendung der Richtlinie vorliegen und räumt für berichterstattende Unternehmen einen Übergangszeitraum von drei Jahren ein, in dem die Informationen nicht zur Verfügung gestellt werden müssen. Jedoch ist dann eine kurze Erklärung abzugeben, weshalb sie die Informationen aus der Wertschöpfungskette nicht erhalten haben, welche Anstrengungen sie unternommen haben, um die Informationen zu erlangen und wie sie zukünftig vorgehen wollen, um die Informationen zu erhalten.

EU-Berichterstattungsstandards

Unternehmen müssen ihre Nachhaltigkeitsinformationen zukünftig in einem klar ausgewiesenen eigenen Abschnitt des Lageberichts nach verpflichtend anzuwendenden EU-Berichterstattungsstandards offenlegen. Das Beratergremium der EU-Kommission, EFRAG, das mit der Ausarbeitung der EU-Berichterstattungsstandards betraut ist, konsultierte bis 08.08.22 zu Entwürfen für ein erstes Set an Standards, das verpflichtend von großen Unternehmen anzuwenden ist. Es ist geplant, dass EFRAG die Entwürfe bis November 2022 an die EU-Kommission übergibt. Die EU-Kommission soll dann bis spätestens 30.06.2023 delegierte Rechtsakte dazu annehmen. Ein zweites Set an Standards für große Unternehmen als auch ein vereinfachter KMU-Berichterstattungsstandard sollen bis 30.06.2024 in Form von weiteren delegierten Rechtsakten folgen. Der vereinfachte KMU-Berichterstattungsstandard ist von börsennotierten KMU verpflichtend anzuwenden und kann von allen anderen KMU für die freiwillige Offenlegung benutzt werden. Zudem soll er als Richtschnur dienen, welche Informationen von großen Unternehmen bei KMU in der Lieferkette abgefragt werden können. Es wird angeregt, dass die EU-Mitgliedstaaten Unterstützungsmaßnahmen für KMU für die freiwillige Anwendung des KMU-Standards in Betracht ziehen.

Die Standards sollen Schwierigkeiten berücksichtigen, die Unternehmen beim Einholen der erforderlichen Informationen entlang ihrer Wertschöpfungsketten und bei Akteuren, die nicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sind (z. B. KMU), haben.

Die EU-Kommission soll bei der Annahme der delegierten Rechtsakte die Arbeiten von internationalen Standardisierungsinitiativen, wie z. B. des International Sustainability Standards Board (ISSB), als auch bestehende Standards und Rahmenwerke zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen berücksichtigen, um unverhältnismäßigen administrativen Aufwand für (international tätige) Unternehmen zu vermeiden.

Außerdem ist vorgesehen, dass die erlassenen delegierten Rechtsakte alle 3 Jahre überprüft und ggf. abgeändert werden, um relevanten Entwicklungen im Zusammenhang mit internationalen Standards Rechnung zu tragen.

Einheitliches elektronisches Berichtsformat

Unternehmen erstellen ihren Lagebericht im einheitlichen elektronischen Berichtsformats gemäß ESEF-Verordnung (d. h. XHTML-Format) und taggen ihre Nachhaltigkeitsinformationen (einschließlich der Informationen nach Art. 8 Taxonomie-Verordnung) in diesem Format.
Abschlussprüfung

Es ist vorgesehen, dass die Nachhaltigkeitsinformationen durch Abschlussprüfer, einen anderen Wirtschaftsprüfer oder einen unabhängigen Erbringer von Bestätigungsleistungen geprüft werden. Bis spätestens 01.10.2026 soll ein Prüfungsstandard mit begrenzter Sicherheit und bis spätestens 01.10.2028 ein Prüfungsstandard mit hinreichender Sicherheit von der EU-Kommission bereitgestellt werden. Solange die EU-Kommission keine Prüfungsstandards angenommen hat, können die Mitgliedstaaten nationale Prüfungsstandards, -verfahren oder -anforderungen anwenden.

Spätestens 12 Monate nach Bilanzstichtag ist der ordnungsgemäß gebilligte Jahresabschluss und der Lagebericht zusammen mit den Urteilen und Erklärungen des Abschlussprüfers bzw. der Prüfungsgesellschaft von Unternehmen offenzulegen.

Ausblick

Die EU-Kommission soll dem EU-Parlament und Rat bis 30.04.2029 einen Bericht zur Umsetzung der Richtlinie vorlegen und u. a. darauf eingehen, wie viele KMUs freiwillig nach dem vereinfachten KMU-Berichterstattungsstandard berichten und ob ggf. der Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeweitet werden soll, insb. auf KMUs und Drittstaatenunternehmen, die in der EU tätig sind, aber keine Tochtergesellschaft oder Niederlassung in der EU haben. Bis Dezember 2028 soll die EU-Kommission u. a. zum Grad der Konzentration auf dem Markt der Nachhaltigkeitsprüfung berichten.

EU-Parlament und Rat müssen den Text, auf den sie sich am 21.06.2022 geeinigt haben, noch formal annehmen. Die Annahme durch das Plenum des EU-Parlaments ist voraussichtlich für Oktober vorgesehen. Nach Veröffentlichung im EU-Amtsblatt haben die EU-Mitgliedstaaten 18 Monate Zeit, die Bestimmungen der Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

Quelle: DATEV eG Informationsbüro Brüssel