Zivilrecht - 5. September 2022

Rennradfahrer erhält Schadensersatz dem Grunde nach zu 100 % für einen sog. „Dooring“-Unfall

LG Köln, Mitteilung vom 31.08.2022 zum Urteil 5 O 372/20 vom 02.08.2022 (nrkr)

Das Landgericht Köln hat einen Fall entschieden, in dem ein Rennradfahrer mit einer Autotür kollidiert ist.

Der Kläger befand sich mit seinem Rennrad auf einer nachmittäglichen Ausfahrt im Bergischen Land, als er gegen 18 Uhr in Engelskirchen an einem Auto vorbeifahren wollte. Der Fahrer des Wagens öffnete die Fahrertür. Der Radfahrer konnte nicht mehr ausweichen und kollidierte mit der Tür, stürzte und zog sich schwere Verletzungen zu. Er brach sich eine Rippe, verletzte sich an der Schulter und erlitt multiple Prellungen an Schädel, Knien und Ellenbogen.

Der Kläger behauptet, er könne in seinem Beruf als Unfallchirurg keine langwierigen kraftaufwendigen Operationen mehr durchführen. Für ihn sei besonders schmerzlich, dass er als Triathlet sein Schwimmtraining nicht mehr durchführen könne. Auch sein hochwertiges Rennrad habe schweren Schaden genommen.

Der Beklagte und dessen Versicherung lehnten eine Regulierung des immateriellen und materiellen Schadens über die bereits anerkannte Haftung von 75 % ab. Den Radfahrer treffe ein Mitverschulden in Höhe von 25 %, weil er nicht weit genug entfernt von dem geparkten Pkw vorbei gefahren sei. Er hätte wahrnehmen können, dass der Beklagte eingeparkt habe und seine Tür habe öffnen wollen.

Das Landgericht hat den beklagten Autofahrer und dessen Versicherung über die bereits anerkannte Haftungsquote von 75 % verpflichtet, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen. Des Weiteren müssen die Beklagten weitere 3.500 Euro Schmerzensgeld und weitere 1.089,29 Euro Schadensersatz für die Beschädigungen an dem Rennrad zahlen.

Nach ständiger Rechtsprechung spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Autofahrer den Unfall verschuldet habe, weil die Kollision mit dem Fahrrad des Klägers im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Öffnen der Fahrertür erfolgt sei. Gemäß § 14 Abs. 1 StVO müsse sich der Autofahrer dabei so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei.

Ein Mitverschulden des Klägers sei demgegenüber nicht anzunehmen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass dem Kläger der Vorwurf eines nicht ausreichenden Seitenabstandes gemacht werden könne. Wie groß der Abstand im konkreten Fall zu sein habe, sei eine Frage des Einzelfalles. Dabei komme es auf die Verkehrslage, die Geschwindigkeit und die bauliche Situation, insbesondere die Breite der Straße sowie die Art der beteiligten Fahrzeuge an. Auf einer breiteren Straße sei ein größerer Abstand zu wahren. Der Seitenabstand soll in der Regel so bemessen sein, dass ein geringfügiges Öffnen einer Fahrertür noch möglich sei. 34 cm reichen hierfür nicht aus. 50 cm könnten schon genügen. Der Unfallort liege auf der gut ausgebauten Straße mit einer Breite von 5,70 m und einem Fahrstreifen je Fahrtrichtung. Beidseitig der Straße seien Parkstreifen angeordnet. Es habe hohes Verkehrsaufkommen geherrscht. Aufgrund der eigenen Angaben des Klägers sei davon auszugehen, dass er mit seinem Rad über 30 km/h schnell gefahren sei, die an der Unfallstelle zulässige Höchstgeschwindigkeit aber nicht überschritten habe. Das Gericht ging dabei davon aus, dass der Autofahrer den Einparkvorgang erst kurz zuvor abgeschlossen habe und die Fahrertür zunächst nur einen Spalt weit geöffnet gewesen sei.

Der Rennradfahrer habe auch nicht einen so großen Seitenabstand zum Fahrzeug einhalten müssen, dass er selbst bei einer vollständigen Öffnung der Fahrertür nicht mit dieser kollidiert wäre. Dem Rennradfahrer könne auch kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er mit seinem Rennrad deutlich schneller gefahren sei, als der durchschnittliche Radfahrer. Mit einer so groben Unachtsamkeit des Autofahrers habe der Kläger einfach nicht rechnen müssen.

Dem Kläger stünde für die erlittenen Verletzungen ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 7.500 Euro zu, auf das die Beklagten bereits 4.000 Euro gezahlt hatten. Zweifel daran, dass die Verletzungen unfallbedingt seien, hätten die Beklagten nicht plausibel dargelegt. Auch im Hinblick auf den Schaden am Rennrad seien die vom Kläger benannten Sachschäden nachvollziehbar. Allerdings sei dem Kläger ein Abzug im Rahmen des Vorteilsausgleichs in Höhe von 50 % anzurechnen, da das Rennrad bereits ein Jahr alt gewesen sei.

Quelle: LG Köln