EU-Recht - 15. März 2023

Reform des EU-Strommarktes: Kommission will Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben und Verbraucher besser schützen

EU-Kommission, Pressemitteilung vom 14.03.2023

Die Europäische Kommission hat Vorschläge zur Reform des EU-Strommarktes vorgelegt mit dem Ziel, den Ausbau der erneuerbaren Energien und den Ausstieg aus dem Gas zu beschleunigen. Europäische Bürgerinnen und Bürger sollen vor Preisschwankungen für fossile Brennstoffe, Preisspitzen und Marktmanipulation geschützt werden, unter anderem über das Angebot langfristiger Preisbindungen. Zudem sollen sie mehr Auswahl bei dem Abschluss von Verträgen und klarere Informationen erhalten. Frans Timmermans, Exekutiv-Vizepräsident der Europäischen Kommission für den Grünen Deal, erklärte: „In Europa werden Haushalte und Industrie künftig mehr und mehr auf erneuerbare Energien zurückgreifen. Sie sind der Schlüssel zur Energiesouveränität und zu unserer Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Wenn wir wollen, dass dieser Übergang möglichst schnell erfolgt, und dass sich das für die Verbraucher in Form niedrigerer Stromrechnungen bemerkbar macht, müssen wir unseren Markt umbauen.“

EU-Energiekommissarin Kadri Simson fügte hinzu: „Die derzeitige Ordnung hat jahrzehntelang einen effizienten und gut integrierten Markt garantiert. Nun aber sorgen weltweite Verknappung und die russische Manipulation unserer Energiemärkte für astronomische Stromrechnungen. Mit unseren heutigen Maßnahmen wollen wir EU-weit für stabile und berechenbare Energiekosten sorgen. Nur wenn wir Investitionen in erneuerbare Energien fördern, können wir die Ziele des Grünen Deals erreichen und die EU auf Jahrzehnte zur treibenden Kraft in diesem Bereich machen.“

Anpassungen im Strommarkt nach russischem Einmarsch in die Ukraine

Die EU verfügt seit mehr als zwanzig Jahren über einen effizienten und gut integrierten Strommarkt. Er ermöglicht es den Verbrauchern, die wirtschaftlichen Vorteile des Energiebinnenmarkts zu nutzen, er gewährleistet die Versorgungssicherheit und trägt zur Dekarbonisierung bei. Die Energiekrise infolge des russischen Einmarschs in die Ukraine verlangte nach einer raschen Anpassung des Strommarktes, damit der grüne Wandel gelingt, und damit Haushalte und Betriebe breiten Zugriff auf erschwinglichen erneuerbaren und nichtfossilen Strom erhalten.

Im Zuge der vorgeschlagenen Reform sollen EU-Rechtsvorschriften wie die Elektrizitätsverordnung, die Elektrizitätsrichtlinie und die REMIT-Verordnung überarbeitet werden. Geplant sind ferner Anreize für längerfristige Verträge bei nichtfossiler Energieerzeugung sowie Maßnahmen, die sauberere flexible Lösungen wie Laststeuerung und Speicherung in das System bringen, um mit Gas konkurrieren zu können. Somit sinkt der Anteil fossiler Brennstoffe auf den Stromrechnungen, während die niedrigeren Kosten der erneuerbaren Energien spürbar werden. Ferner fördern die Reformvorschläge einen offenen und fairen Wettbewerb auf den europäischen Energiegroßhandelsmärkten dadurch, dass sie für mehr Markttransparenz und -integrität sorgen.

Der konsequente Einsatz erneuerbarer Energieträger führt nicht nur zu niedrigeren Stromrechnungen, sondern auch zu einer nachhaltigen und unabhängigen EU-Energieversorgung im Sinne des europäischen Grünen Deals und des REPowerEU-Plans. Mit dieser Reform als Teil des grünen Industrieplans erhält die europäische Industrie auch Zugriff auf eine erneuerbare, nichtfossile und erschwingliche Energieversorgung, was zentral für Klimaneutralität und ökologischen Wandel ist. Nur wenn wir den Einsatz erneuerbarer Energien bis Ende des Jahrzehnts verdreifachen, können wir unsere Energie- und Klimaziele erreichen.

Stärkung der Verbraucherinnen und Verbraucher

Hohe und stark schwankende Preise wie 2022 im Zuge des russischen Energiekriegs gegen die EU haben die Haushalte über Gebühr belastet. Dieser Vorschlag bringt Verbrauchern und Versorgern nun mehr Preisstabilität in Form erneuerbarer und nichtfossiler Energietechnologien. Konkret bedeutet er für Haushalte eine breite Vertragsauswahl und klarere Informationen vor Vertragsunterzeichnung und somit langfristige Preisbindung ohne übermäßige Risiken und Schwankungen. Gleichzeitig können sie weiterhin Verträge mit dynamischer Preisbildung wählen, um Preisvorteile zu nutzen, wenn der Strom billiger ist (z. B. Laden von Elektroautos oder Nutzung von Wärmepumpen).

Neben der größeren Auswahl bietet die Reform auch mehr Preisstabilität, da das Risiko eines Lieferantenausfalls gemindert wird. Anbieter müssen ihre Preisrisiken nämlich künftig zumindest im Umfang der Mengen im Rahmen von Festverträgen absichern, um gegen Preisspitzen und Marktschwankungen besser gewappnet zu sein. Zudem werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, Anbieter letzter Instanz zu bestimmen, damit niemand unversorgt bleibt.

Auch der Schutz bedürftiger Verbraucher wird deutlich erhöht. So müssen die Mitgliedstaaten bedürftige Haushalte, die in Zahlungsverzug geraten sind, künftig davor bewahren, dass ihnen der Strom abgedreht wird. Ferner können sie die regulierten Endkundenpreise im Krisenfall an Haushalte und mittelständische Betriebe weitergeben.

Auch die Regeln für die gemeinsame Nutzung erneuerbarer Energien sollen neugefasst werden. Verbraucher können künftig in Wind- oder Solarparks investieren und überschüssigen Solarstrom vom Dach auch an Nachbarn verkaufen. Mieter können beispielsweise ihren restlichen Solarstrom vom Dach mit Nachbarn teilen.

Im Sinne flexibler Energiesysteme müssen die Mitgliedstaaten künftig ihren Bedarf beziffern und Ziele für mehr nichtfossile Flexibilität nennen. Sie können auch neue Förderregelungen, insbesondere in puncto Laststeuerung und Speicherung, einführen. Darüber hinaus bietet die Reform Netzbetreibern die Möglichkeit eines Zurückfahrens der Last zu Spitzenlastzeiten. Neben diesem Vorschlag hat die Kommission heute auch Empfehlungen für effiziente Speicherinnovationen, -technologien und -kapazitäten an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Berechenbare und stabile Energiepreise für eine wettbewerbsfähige Industrie
Stark schwankende Energiepreise haben im vergangenen Jahr viele Betriebe schwer getroffen. Im Sinne einer wettbewerbsfähigen und weniger preisanfälligen EU-Industrie regt die Kommission stabile, langfristige Verträge wie Strombezugsverträge (Power Purchase Agreements, PPA) an, die den Unternehmen ihre eigene direkte Energieversorgung und somit stabilere Preise für die Stromerzeugung aus erneuerbaren und nichtfossilen Energiequellen in Aussicht stellen. Um derzeitigen Schwachstellen wie den Kreditrisiken von Käufern entgegenzuwirken, werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, marktbasierte Haftungen für PPA sicherzustellen.

Stabile Einnahmen für Stromerzeuger und der Schutz der Industrie vor Preisschwankungen setzen voraus, dass jede staatliche Förderung neuer Investitionen in inframarginale und unumgängliche Stromerzeugung aus erneuerbaren und nichtfossilen Brennstoffen in Form zweiseitiger Differenzverträge erfolgt, und dass die Mitgliedstaaten Übergewinne an die Haushalte weitergeben. Darüber hinaus macht die Reform die Märkte liquider für langfristige Verträge zur Festschreibung von Preisen, sogenannte „Termingeschäfte“. So können sich Versorger und Verbraucher über längere Zeiträume vor übermäßigen Preisschwankungen schützen.

Ferner soll die Einspeisung erneuerbarer Energien ins Netz einfacher — und die Erzeugung berechenbarer werden. Das bedeutet Transparenzpflichten für Netzbetreiber in puncto Netzengpässe und Handelsfristen, die näher an der Echtzeit sind.

Im Sinne wettbewerbsorientierter Märkte und transparenter Preisbildung können die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) und die nationalen Regulierungsbehörden schließlich die Integrität und Transparenz des Energiemarktes künftig besser überwachen. Insbesondere wird die aktualisierte Verordnung über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarkts (REMIT) für mehr Datenqualität sorgen und der ACER bei der Untersuchung potenziellen Marktmissbrauchs in länderübergreifenden Fällen den Rücken stärken. Insgesamt werden Verbraucher und Industrie in der EU hierdurch besser vor Marktmissbrauch geschützt.

Nächste Schritte

Bevor die Reformvorschläge in Kraft treten können, müssen sie vom Europäischen Parlament und vom Rat erörtert und beschlossen werden.

Quelle: EU-Kommission