EU-Recht - 27. Dezember 2022

Rat legt seine Position zum EU-Lieferkettengesetz fest

DATEV Informationsbüro Brüssel, Mitteilung vom 01.12.2022

Der Rat der EU hat am 01.12.2022 seine Position in Form einer allgemeinen Ausrichtung zum EU-Lieferkettengesetz festgelegt. Das EU-Parlament wird voraussichtlich im Mai 2023 seine Position im Plenum abstimmen. Danach können beide EU-Institutionen die sog. Trilogverhandlungen (= informelle Beratungen) aufnehmen, um sich auf einen finalen Kompromisstext zu einigen.

Der Rat schlägt eine schrittweise Anwendung der Vorschriften vor:

  • drei Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie soll sie für sehr große Unternehmen mit mehr als 1 000 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von 300 Mio. Euro oder für Nicht-EU-Unternehmen mit einem in der EU erzielten Nettoumsatz von 300 Mio. Euro gelten,
  • vier Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie soll sie für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 150 Mio. Euro oder für Nicht-EU-Unternehmen mit einem in der EU erzielten Nettoumsatz von 150 Mio. Euro gelten,
  • fünf Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie soll sie für Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 40 Mio. Euro gelten, sofern mindestens 20 Mio. Euro in einem in Anhang II genannten Risikosektor erwirtschaftet wurden bzw. für Nicht-EU-Unternehmen mit einem in der EU erzielten Nettoumsatz von 40 Mio. Euro aber nicht mehr als 150 Mio. Euro, wovon mindestens 20 Mio. Euro in Risikosektoren nach Anhang II erwirtschaftet wurden.

Der Rat folgt dem Kommissionsvorschlag im Hinblick auf die vorgeschlagenen (o.g.) Schwellenwerte der Unternehmen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, jedoch müssen die Kriterien in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren erfüllt sein. Außerdem wurde der Geltungsbereich weiter präzisiert, indem die Liste der Hochrisikosektoren (Anhang II) mit den NACE-Codes der aufgeführten Sektoren ergänzt wurde. Auch wenn der Finanzsektor laut branchenspezifischen OECD-Leitfäden als Risikosektor angesehen wird, soll dies nicht für das EU-Lieferkettengesetz gelten.

Um den Aufwand für Unternehmen zu verringern und die Wirksamkeit der Sorgfaltspflichten zu erhöhen, spricht sich der Rat dafür aus, dass Muttergesellschaften, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, auch einige der Sorgfaltspflichten im Namen ihrer Tochterunternehmen (im Anwendungsbereich der Richtlinie) erfüllen können. Die Erfüllung der Sorgfaltspflichten auf Gruppenebene sollte die zivilrechtliche Haftung von Tochterunternehmen unberührt lassen.

Der Finanzsektor soll vom Anwendungsbereich ausgenommen werden. Jedoch haben die EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit, bei der Umsetzung der Richtlinie Finanzdienstleistungen durch beaufsichtigte Finanzunternehmen aufzunehmen. Falls ein EU-Mitgliedstaat von dieser Option Gebrauch macht, sollten die beaufsichtigten Finanzunternehmen verpflichtet sein, negative Auswirkungen der Geschäftstätigkeit ihrer Geschäftspartner vor Erbringung der Finanzdienstleistung zu ermitteln.

Des Weiteren hat der Rat Anpassungen an einigen Begriffsbestimmungen vorgenommen. So wurde beispielsweise der im Kommissionsvorschlag enthaltene Begriff der „etablierten Geschäftsbeziehung“ gestrichen und durch den Begriff „Geschäftspartner“ ersetzt. Laut Ratsposition sollen Unternehmen zukünftig Sorgfaltspflichten in der „Aktivitätskette“ (statt Wertschöpfungskette im Kommissionsvorschlag) wahrnehmen. Darunter werden die Tätigkeiten der vorgelagerten Geschäftspartner und in begrenztem Umfang auch die Tätigkeiten der nachgelagerten Geschäftspartner (Phase der Nutzung der Produkte des Unternehmens oder der Erbringung von Dienstleistungen ist ausgenommen) eines Unternehmens verstanden. Falls EU-Mitgliedstaaten beschließen, die Richtlinie auf beaufsichtigte Finanzunternehmen anzuwenden, werden KMU aus der Aktivitätskette dieser Unternehmen ausgenommen.

Um die Durchführbarkeit für Unternehmen sicherzustellen, wurde der risikobasierte Ansatz gestärkt. Falls Unternehmen nicht alle ermittelten tatsächlichen und potenziellen negativen Auswirkungen gleichzeitig angehen können, sollten sie sie auf Grundlage der Schwere und Wahrscheinlichkeit priorisieren und die gravierendsten Auswirkungen zuerst angehen.

Beim Austausch von Informationen zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten sind Unternehmen nicht verpflichtet, ihrem Geschäftspartner, Informationen, die als Geschäftsgeheimnis gemäß Richtlinie (EU) 2016/943 gelten, offen zu legen.

Im Hinblick auf die zivilrechtliche Haftung wurden Klarstellungen am Text vorgenommen. So sollen Unternehmen für Schäden, die einer natürlichen oder juristischen Person entstanden sind, u. a. bei einer Pflichtverletzung oder einem Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) haften. Unternehmen werden nicht für Schäden haftbar gemacht, die nur von seinen Geschäftspartnern in der Aktivitätskette verursacht wurden. Wenn ein Schaden von einem Unternehmen und seinem Tochterunternehmen oder (direkten/indirekten) Geschäftspartner gemeinsam verursacht wurde, so haften sie gesamtschuldnerisch. Zudem sieht der Rat den Anspruch auf vollständige Entschädigung der Opfer von negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte oder die Umwelt vor. Die vollständige Entschädigung soll jedoch nicht zu einer Überkompensierung führen.

Der Rat hat eine detaillierte Überprüfungsklausel im Text verankert, wonach die EU-Kommission bis sieben Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie einen Umsetzungsbericht vorlegen und bewerten muss, ob u. a. die Schwellenwerte für die Zahl der Beschäftigten und den Nettoumsatz, die Liste der Hochrisikobereiche oder der Geltungsbereich der Richtlinie überarbeitet werden sollte.

Quelle: DATEV eG Informationsbüro Brüssel