Abgasskandal - 6. März 2020

OLG Dresden verurteilt Volkswagen AG zu Schadenersatz

Urteile in Streitigkeiten über die Kaufpreisrückforderung wegen Einsatzes unzulässiger Abschalteinrichtungen im Zusammenhang mit dem „VW-Abgasskandal“
OLG Dresden, Pressemitteilung vom 05.03.2020 zu den Urteilen 10a U 1834/19 und 10a U 1907/19 vom 05.03.2020

Der 10a. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden hat mit zwei Urteilen vom 05.03.2020 die Volkswagen AG unter Zurückweisung der weitergehenden Berufungen verurteilt, anteiligen Schadenersatz an die klagenden Fahrzeugkäufer zu zahlen. Die Klägerin im Berufungsverfahren 10a U 1834/19 erwarb am 22.01.2014 einen Pkw VW Touran Diesel. Im Berufungsverfahren 10a U 1907/19 stand der Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs VW Passat Diesel am 07.12.2015 in Streit. Beide Kläger beanspruchten die Rückgewähr des Kaufpreises unter Verweis darauf, dass der jeweils verbaute Dieselmotor des Typs EA 189 mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet gewesen sei.

Nach Ansicht des 10a. Zivilsenats steht den Käufern ein Anspruch auf anteilige Rückzahlung des Kaufpreises zu, weil die Volkswagen AG sie durch das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit manipulierter Motorsteuerungssoftware getäuscht und damit vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe (§ 826 BGB). Die Manipulation an der Motorsteuerungssoftware sei als verbotene Abschalteinrichtung zu qualifizieren. Das Verhalten der verantwortlichen Personen der Volkswagen AG erweise sich als sittenwidrig, weil ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber Aufsichtsbehörden und Verbrauchern geschaffen worden sei. Das Inverkehrbringen einer Manipulationssoftware sei auch ursächlich für den Entschluss der jeweiligen Klagepartei gewesen, den Kaufvertrag abzuschließen. Im Berufungsverfahren 10a U 1834/19 sei plausibel, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages am 22.01.2014 darauf vertraut habe, ein Fahrzeug zu erwerben, das den einschlägigen Rechtsvorschriften entspricht und uneingeschränkt nutzbar ist. Es sei davon auszugehen, dass sie den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn sie von der damals bestehenden Gefahr des Verlusts der Zulassung oder der Verhängung von Fahrverboten gewusst hätte. Der Ursachenzusammenhang sei ebenfalls im Berufungsverfahren 10a U 1907/19 anzuerkennen. Zwar sei der Kaufvertrag hier erst nach der Ad-hoc-Mitteilung der Volkswagen AG vom 22.09.2015 abgeschlossen worden, in welcher auf »Auffälligkeiten« bei dem Motorentyp hingewiesen wurde. Aufgrund des Mitteilungsinhalts habe sich jedoch noch nicht ausreichend ergeben, welche Konsequenzen aus den Manipulationen in technischer und rechtlicher Hinsicht resultieren.

Den Schaden sieht der 10a. Zivilsenat bereits in dem Abschluss eines Kaufvertrags über ein Fahrzeug, bei dem die Gefahr einer Beeinträchtigung seiner Nutzbarkeit durch Entziehung der Typengenehmigung und Fahrverbote besteht. Auf eine messbare Differenz in der Vermögenslage komme es dabei nicht an. Für die Bestimmung des ersatzfähigen Schadens sei daher im Ausgangspunkt der vereinbarte Kaufpreis maßgebend, der gegen Rückgabe des Fahrzeugs zurückverlangt werden könne. Die Kläger müssten sich allerdings die Nutzungen anrechnen lassen, die sie im Zusammenhang mit der Verwendung des Fahrzeugs gezogen haben. Die Gebrauchsvorteile seien nach der Formel zu berechnen: Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer: voraussichtliche Restlaufzeit (Gesamtlaufzeit abzüglich Kilometerstand beim Kauf). Vor diesem Hintergrund könnten die Kläger nicht den vollständigen Kaufpreis zurückverlangen, sondern nur Schadenersatz in entsprechend gekürztem Umfang beanspruchen.

Die Urteile können mit der Revision am Bundesgerichtshof angefochten werden.

Hinweis zur Rechtslage

Die Norm des § 826 BGB (vorsätzlich sittenwidrige Schädigung) hat folgenden Wortlaut:

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.