LG Lübeck, Pressemitteilung vom 12.09.2024 zum Beschluss 9 O 266/18 vom 28.09.2023 (rkr)
Legen gerichtliche Sachverständige ihre Erkenntnisquellen nicht offen, können sie ihren Vergütungsanspruch verlieren. So entschied das Landgericht Lübeck kürzlich.
Was ist passiert?
Ein Telekommunikationsdienstleister verlegte seine Glasfaser- und Telefonleitungen in einer norddeutschen Stadt unterhalb des Straßennetzes. Dort befand sich bereits die Stromversorgung der Straßenbeleuchtung. Jahre später fielen die Straßenbeleuchtung und die Glasfaser- und Telefonleitungen gleichzeitig aus. Sie waren miteinander verschmort.
Der Telekommunikationsdienstleister forderte von der Stadt, die das Versorgungsnetz der Straßenbeleuchtung betrieb, für die Reparatur der Leitungen aufzukommen. Als Schadenursache komme allein ein Kurzschluss in dem Stromkabel der Stadt in Frage.
Die Vertreter der Stadt lehnten dies ab. Der Schaden habe nur eintreten können, da der Telekommunikationsdienstleister das Stromnetz beim Verlegen seiner Kabel beschädigt habe. Auch sei bei den Verlegungsarbeiten der notwendige Sicherheitsabstand zwischen den Leitungen nicht eingehalten worden. Darauf machte der Telekommunikationsdienstleister seinen Anspruch vor dem Landgericht Lübeck geltend.
Das Gericht beauftragte einen Sachverständigen. Dieser sollte unter anderem die Ursache des Schadens an den Kabeln klären. Der Sachverständige legte ein schriftliches Gutachten vor, das er in einem Termin am Landgericht Lübeck erläutern sollte. Im Termin erklärte der Sachverständige von sich aus, dass es öfter zu Problemen mit der Straßenbeleuchtung gekommen sei. Er weigerte sich aber zu sagen, woher er diese Information hatte. Der Vertreter der Stadt lehnte den Sachverständigen darauf mit Erfolg als befangen ab.
Für seine Tätigkeit hatte der Sachverständige aber schon knapp 4.000 Euro erhalten und bereits weitere Rechnungen gestellt. Der Kostenprüfungsbeamte des Landgerichts Lübeck und der Vertreter der Stadt forderten das Gericht auf, die Rückzahlung zu veranlassen.
Wie ist die Rechtslage?
Der Wegfall und die Beschränkung des Vergütungsanspruchs von Sachverständigen richtet sich nach § 8a JVEG. Danach wird der Sachverständige, obwohl er grob fahrlässig oder vorsätzlich Gründe geschaffen hat, die eine Prozesspartei berechtigen, ihn als befangen abzulehnen, nur dann für seine Tätigkeit bezahlt, soweit sein Gutachten verwertbar ist.
Wie hat das Gericht entschieden?
Das Gericht hat den Vergütungsanspruch des Sachverständigen abgelehnt und ihn zur Rückzahlung der bereits erhaltenen Gelder verpflichtet. Das Gericht stellte fest, dass der Sachverständige seine erfolgreiche Ablehnung durch die Stadt geradezu provoziert habe. Es hob besonders hervor, „dass der Sachverständige im Termin geradezu verschwörerisch erklärte, dass ihm hinsichtlich des Streitgegenstands besondere Informationen zum Nachteil der Beklagten vorliegen würden, wobei er zugleich ankündigte seine Informationsquellen nicht offenzulegen.“. Damit habe er Zweifel an seiner Neutralität, Unvoreingenommenheit und Objektivität geweckt und den Eindruck vermittelt, dass er sich auf die Seite des Telekommunikationsdienstleisters geschlagen habe.
Der Beschluss vom 28.09.2023 (Az. 9 O 266/18) ist rechtskräftig.
Quelle: Landgericht Lübeck