Neues Baurecht - 13. November 2024

Novelle BauGB: Eingriffe in kommunale Planungshoheit und Nachbarrechte

BRAK, Mitteilung vom 12.11.2024

Die BRAK begrüßt die geplante umfassende Novellierung des BauGB und der BauNVO grundsätzlich in weiten Teilen, äußert jedoch in ihrer Stellungnahme zum Regierungsentwurf auch Kritik. Denn trotz der Reform bleiben in der Praxis weiterhin Unsicherheiten bestehen, und es ergeben sich nach wie vor offene Fragen im Bereich des Rechtsschutzes.

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) begrüßt die geplante, umfassende Novellierung des BauGB und der Baunutzungsverordnung (BauNVO) grundsätzlich in weiten Teilen, übt in ihrer aktuellen Stellungnahme zum Regierungsentwurf aber auch Kritik. Schwerpunkte der Novelle sollen Vereinfachungen für den Wohnungsbau, die Betonung der Klimaanpassung und des Klimaschutzes im Städtebaurecht, die Stärkung der Digitalisierung sowie weitere Maßnahmen im Bereich des Bodenrechts, des Besonderen Städtebaurechts und zur Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien sein.

Teile der Novelle des BauGB sind aus Sicht der BRAK durchaus sinnvoll, da hierdurch Unklarheiten beseitigt werden. Einige Regelungen werden aber vermutlich in der Praxis auch Unsicherheiten auslösen und neue Fragen beim Rechtsschutz aufwerfen.

In §§ 3 Abs. 2, 6a Abs. 2, 10a Abs. 2 BauGB findet sich die Formulierung „über ein zentrales Internetportal des Landes.“ Erfreulich ist, dass im Regierungsentwurf nunmehr nicht mehr vorgesehen ist, die Wörter „des Landes“ zu streichen, was die BRAK bereits in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf kritisiert hatte. Dies darf allerdings keinesfalls dazu führen, dass nicht mit dem Internet vertraute Bevölkerungsschichten ausgeschlossen werden. Es wäre insofern sinnvoll, die bisher vorgesehene Regelung (analoge Bekanntmachungen und Auslegungen) nicht vollständig aufzugeben, sondern durch digitale Formen zu ergänzen und auch eine Einsichtnahme vor Ort weiterhin zu ermöglichen. Dies würde der „Anstoßfunktion“ entsprechender Bekanntmachungen und Auslegungen besser gerecht werden.

§ 9 Abs. 1 Nr. 7 BauGB-E nimmt Festsetzungselemente des bisher und befristet in § 9 Abs. 2d BauGB geregelten sog. sektoralen Bebauungsplans der Wohnraumversorgung auf. Mit Blick auf die nunmehr unter Art. 1 Nr. 7 b) BauGB-E aufgenommene Festsetzungsmöglichkeit bestehen unter der bisherigen Regelung Rechtsunsicherheiten, in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt die Verpflichtung des „Vorhabenträgers“ zur Einhaltung der geltenden Förderbedingungen geregelt werden müssen. Denkbar wäre u. a. eine Verpflichtung vor Inkrafttreten eines Bebauungsplans mit dieser Festsetzungsmöglichkeit, oder zum Zeitpunkt des Bauantrags. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn diese bereits bekannte Anwendungsunsicherheit aufgelöst werden könnte, um den plangebenden Kommunen ausreichend Sicherheit für die Nutzung dieser Festsetzungsmöglichkeit zu geben.

Hinsichtlich der Neuregelung in § 12 Abs. 3 BauGB-E sieht der Regierungsentwurf vor, dass die Regelungen zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan dahingehend geändert werden sollen, dass zukünftig der Vorhaben- und Erschließungsplan nicht mehr Bestandteil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans, sondern Bestandteil des Durchführungsvertrages wird. Die BRAK teilt nicht die Einschätzung der Gesetzesbegründung, dass es durch die vorgeschlagene Neuregelung zu mehr „Rechtssicherheit“ kommen wird. Sie sieht diesen Paradigmenwechsel vielmehr kritisch.

Die Neuregelung sieht vor, dass in § 24 BauGB ein neuer Absatz 2a eingefügt wird – „(2a) Dem Kauf von Grundstücken steht die rechtsgeschäftliche Verpflichtung gleich, das Eigentum an einem Grundstück an eine Gesellschaft zu übertragen, wenn die Gegenleistung ausschließlich in einer Geldzahlung besteht.“ Die BRAK erkennt an, dass der Formulierungsvorschlag des Regierungsentwurfs gegenüber dem des Referentenentwurfs hinsichtlich des Vorkaufsrechts immerhin eine Verbesserung darstellt. Aber auch bei der im Regierungsentwurf vorgesehenen Neuregelung könnte fraglich sein, ob die Neufassung ausreichend klar ist, um beurteilen zu können, für welche Arten von „Share-Deals“ nunmehr ein Vorkaufsrecht gem. § 24 Abs. 2a BauGB-E gilt. Hier wäre aus Sicht der BRAK eine Klarstellung für mehr Rechtssicherheit aller beteiligten Akteure, und damit insbesondere auch der Kommunen, wünschenswert.

Die vorgeschlagene Ergänzung in § 31 Abs. 3 BauGB-E (Ausnahmen und Befreiungen) nimmt auf, dass in der Praxis häufig die Anwendung des bisherigen § 31 Abs. 3 BauGB mit der Begründung ausgeschlossen wurde, dass weitere Anwendungsfälle im Geltungsbereich des jeweiligen Bebauungsplans denkbar seien und daher kein „Einzelfall“ vorläge. Wenn (erstmals) gem. § 31 Abs. 3 BauGB-E von einer konkreten Festsetzung des Bebauungsplans befreit wird,und dieser „Erstfall“ kein „Einzelfall“ bleiben soll, dann ist die Befreiung ergänzend zum Bebauungsplan zu veröffentlichen. Unter Rechtsstaatlichkeitsgründen und auch für die Rechtssicherheit und Einfachheit von solchen „Folgeverfahren“ ist diese Bekanntmachungsvorschrift aus Sicht der BRAK zu begrüßen. Vor den Praxiserfahrungen möchte die BRAK jedoch die Frage aufwerfen, ob die Bekanntmachungsverpflichtung Gemeinden nicht möglicherweise von der vom Gesetzgeber gewünschten Praxis abhalten wird. Eine weitere Anwendungsschwierigkeit sieht die BRAK unter dem jetzt gewählten Wortlaut in den Fällen, in denen die Baugenehmigungsbehörde und die Gemeinde nicht identisch sind.

§ 34 Abs. 3a Satz 1d) BauGB-E begründet einen Genehmigungsanspruch für Anlage zu Wohnzwecken, wenn sie sich nach der Art der Nutzung einfügen, ohne dass sie sich nach dem Maß der Nutzung oder sonstigen Einfügungskriterien des § 34 BauGB einfügen müssten. Unklar ist, was dies für den Rechtsschutz bedeutet.

Nach der Neuregelung in § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BauGB-E soll der Anpassungsbedarf an die Auswirkungen des Klimawandels als städtebaulicher Missstand gelten. Betroffene Städte können hierzu Sanierungsgebiete einrichten. Aus Sicht der BRAK kann es in der Praxis schwierig werden, die Sanierungsziele hier klar genug zu definieren. Dies kann in der Folge praktische Schwierigkeiten bedeuten.

Die neu in den Regierungsentwurf eingefügte Vorschrift des § 246e BauGB-E sieht vor, dass in Städten und Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten eine bis zum Ablauf des 31.12.2027 befristete Sonderregelung geschaffen wird, die (etwas verkürzt dargestellt) festgelegt, dass Wohnungen (unter bestimmten Voraussetzungen) überall gebaut werden dürfen. Die BRAK weist darauf hin, dass durch Vorhabenzulassungen nach der vorgeschlagenen Regelung in die kommunale Planungshoheit und ggf. in Nachbarrechte eingriffen wird. Die geplante Neuregelung des § 246e BauGB ist aus Sicht der BRAK unter Rechtschutzgesichtspunkten zumindest schwierig.

Durch den Regierungsentwurf soll § 250 Abs. 1 Satz 6 BauGB aufgehoben werden. Damit wird mit Inkrafttreten des Gesetzes ein Genehmigungserfordernis für die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nach § 1 des Wohnungseigentumsgesetzes bundesrechtlich verbindlich ab sechs Wohneinheiten eingeführt. Landesrechtlich können, anders als bisher, keine abweichenden Regelungen mehr getroffen werden. Diese Regelung wird daher vermutlich in der Praxis in den Bundesländern Unsicherheit auslösen, die bereits abweichende Regelungen getroffen haben.

Einzelheiten sind der BRAK-Stellungnahme 84/2024 zu entnehmen.

Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer