EU-Kommission, Pressemitteilung vom 21.09.2022
Die Kommission leitet eine Reihe von Vertragsverletzungsverfahren gegen verschiedene Mitgliedstaaten ein, die keine Mitteilung über Maßnahmen zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht gemacht haben („Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtmitteilung“). Die Kommission sendet ein Aufforderungsschreiben an die Mitgliedstaaten, die keine nationalen Maßnahmen zur Umsetzung von Richtlinien gemeldet haben. In diesem Fall haben 24 Mitgliedstaaten noch nicht die vollständige Umsetzung von 10 EU-Richtlinien gemeldet, deren Umsetzungsfrist zwischen dem 1. Juli und dem 31. August 2022 endete. Die betroffenen Mitgliedstaaten haben nun zwei Monate Zeit, um auf die Aufforderungsschreiben zu antworten und die Umsetzung der Richtlinien abzuschließen; anderenfalls kann die Kommission beschließen, eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu übermitteln.
Arbeitnehmerrechte: Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen
Die Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen stärkt und aktualisiert die Rechte der 182 Millionen Arbeitnehmer/innen in der EU und verbessert ihren Schutz. Die neuen Vorschriften verleihen Arbeitskräften beispielsweise ein Recht auf mehr Vorhersehbarkeit bei Arbeitsaufträgen und Arbeitszeiten. Zudem erhalten Arbeitnehmer/innen einen Anspruch darauf, ausführlicher über wesentliche Aspekte des Beschäftigungsverhältnisses, den Arbeitsort und die Entlohnung informiert zu werden. Die neuen Vorschriften sollen insbesondere den schätzungsweise 2 bis 3 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in prekären Beschäftigungsverhältnissen zugutekommen. Die Kommission richtet heute Aufforderungsschreiben an 19 Mitgliedstaaten (Belgien, Tschechien, Dänemark, Irland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Kroatien, Zypern, Luxemburg, Ungarn, Malta, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien, die Slowakei und Finnland), da diese die vollständige Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht nicht bis zum 1. August 2022 mitgeteilt haben.
Nachhaltiges Finanzwesen: EU-Vorschriften zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren und -zielen in Produktüberwachungsprozesse
Mit der Delegierten Richtlinie (EU) 2021/1269 der Kommission wird klargestellt, dass Wertpapierfirmen in ihren Produktüberwachungs- und Produktkontrollverfahren auch Nachhaltigkeitsfaktoren und nachhaltigkeitsbezogene Ziele berücksichtigen müssen. Mit diesen Vorschriften werden Umwelt-, Sozial- und Governance- (Nachhaltigkeits-) Erwägungen ins Zentrum des Finanzsystems gerückt. Ab dem 22. November 2022 müssen Unternehmen, die Finanzprodukte herstellen oder vertreiben, dabei nachhaltigkeitsbezogenen Zielen gebührend Rechnung tragen und dafür sorgen, dass Finanzinstrumente mit Nachhaltigkeitsfaktoren für alle Kunden leicht verfügbar bleiben. Die Kommission richtet heute Aufforderungsschreiben an Belgien, Deutschland, Ungarn, Spanien und Slowenien, da diese die Richtlinie nicht fristgerecht bis zum 22. August 2022 umgesetzt haben.
Nachhaltiges Finanzwesen: EU-Recht verpflichtet alle Fondsverwalter, Nachhaltigkeitsrisiken in ihr Portfolio einzubeziehen
Die Delegierte Richtlinie (EU) 2021/1270 („OGAW-Nachhaltigkeitsrichtlinie“) verpflichtet alle Fondsverwalter, Nachhaltigkeitsrisiken in ihr Portfolio einzubeziehen. Insbesondere müssen gemäß der OGAW-Nachhaltigkeitsrichtlinie OGAW-Verwaltungsgesellschaften Nachhaltigkeitsrisiken in die Verwaltung von OGAW einbeziehen. Außerdem müssen Verfahren für Interessenkonflikte eingeführt werden, die sich aus der Integration von Nachhaltigkeitsrisiken ergeben können. OGAW-Verwaltungsgesellschaften müssen im Zuge ihrer Sorgfaltspflichten bei der Auswahl und der laufenden Überwachung von Anlagen Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigen und Einzelheiten der Verfahren zur Steuerung von Nachhaltigkeitsrisiken im Rahmen des Risikomanagements erfassen. Belgien und Spanien haben die OGAW-Nachhaltigkeitsrichtlinie nicht bis zum 1. August 2022 in nationales Recht umgesetzt und erhalten daher heute ein Aufforderungsschreiben.
Sicheres Spielzeug: Allergene Duftstoffe in Spielzeug
Im Jahr 2020 hat die Kommission die Richtlinie (EU) 2020/2088 zur Verbesserung der Kennzeichnung von Spielzeugen, die potenziell allergene Duftstoffe enthalten, sowie die Richtlinie (EU) 2020/2089 über das Verbot bestimmter allergener Duftstoffe in Spielzeug angenommen. Um den Schutz von Kindern vor möglichen negativen gesundheitlichen Auswirkungen von Duftstoffen, die lebenslange Allergien auslösen können, zu verbessern, hat die Kommission die Richtlinie 2009/48/EG über die Sicherheit von Spielzeug geändert und die Liste der 55 verbotenen Duftstoffe um Atranol, Chloratranol und Methylheptincarbonat erweitert. Ferner müssen gemäß den neuen Vorschriften weitere 61 allergene Duftstoffe ab einer bestimmten Konzentration auf dem Spielzeug angegeben werden. Seit Geltungsbeginn der beiden Richtlinien am 5. Juli 2022 müssen Unternehmen, die Spielzeug verkaufen, dafür sorgen, dass diese neuen Kennzeichnungsvorschriften und Verbote eingehalten werden. Zypern hat die beiden EU-Richtlinien über allergene Duftstoffe in Spielzeug nicht bis zum 4. Juli 2022 in nationales Recht umgesetzt und erhält daher heute ein Aufforderungsschreiben.
Gesellschaftsrecht: Vereinfachung von Unternehmensvorschriften für digitale Werkzeuge und Verfahren
Die Richtlinie (EU) 2019/1151 enthält Bestimmungen betreffend den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten, komplett online durchzuführende Verfahren für die Gründung bestimmter Gesellschaftsformen und die grenzüberschreitende Eintragung von Zweigniederlassungen sowie die Online-Einreichung von Urkunden bei Unternehmensregistern einzuführen. Außerdem sollen mehr Daten aus Unternehmensregistern kostenlos über das System zur Verknüpfung von Unternehmensregistern zur Verfügung gestellt werden. Die Mitgliedstaaten mussten die Richtlinie bis zum 1. August 2021 umsetzen. 17 Mitgliedstaaten hatten jedoch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Übergangsfrist für ein Jahr bis zum 1. August 2022 zu verlängern. Inzwischen ist die Umsetzungsfrist für alle Mitgliedstaaten abgelaufen. Die Kommission richtet daher Aufforderungsschreiben an Belgien, Bulgarien, Dänemark, Zypern, Luxemburg, die Niederlande, Polen, Slowenien, die Slowakei und Schweden.
Zweite Chance für Unternehmer: Vermeidung von Insolvenz und leichterer Zugang zu Finanzmitteln
Mit der Richtlinie (EU) 2019/1023 wurden Regeln eingeführt, um eine Insolvenz frühzeitig abzuwenden und ein günstiges Umfeld zu schaffen, damit insolvente Unternehmer möglichst schnell wieder auf die Beine kommen. Die neuen Vorschriften schaffen die Voraussetzungen, damit sich bestandsfähige Unternehmen, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden, frühzeitig umstrukturieren können, um eine Insolvenz zu vermeiden. Redliche insolvente Unternehmer erhalten besseren Zugang zu Finanzmitteln und werden nach drei Jahren vollständig entschuldet. Zudem wird die Effizienz der Insolvenzverfahren durch die Harmonisierung bestimmter Vorschriften über Gerichte und Insolvenzverwalter und den Einsatz von elektronischen Kommunikationsmitteln verbessert. Die Frist für die Umsetzung der Richtlinie endete am 17. Juli 2022. Die folgenden Mitgliedstaaten haben keine nationalen Maßnahmen zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht mitgeteilt und erhalten daher ein Aufforderungsschreiben: Belgien, Bulgarien, Zypern, Tschechien, Luxemburg, Lettland, Malta, die Niederlande, Polen und Slowenien.
Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige: Förderung der Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt
Ziel der Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben (Richtlinie (EU) 2019/1158) ist die Gewährleistung der Gleichstellung der Geschlechter bei der Arbeitsmarktbeteiligung, indem eine gerechte Verteilung der Betreuungsaufgaben zwischen den Eltern gefördert wird. Mit der Richtlinie wurde ein Vaterschaftsurlaub eingeführt, der Vätern bzw. dem zweiten Elternteil das Recht auf mindestens zehn Tage Urlaub um den Zeitpunkt der Geburt des Kindes herum gibt. Außerdem wird ein Elternurlaub von mindestens vier Monaten eingeführt, von denen mindestens zwei Monate nicht zwischen den Elternteilen übertragbar sind. Arbeitnehmer/innen, die Angehörige oder eine im gleichen Haushalt lebende Person pflegen oder unterstützen, erhalten Anspruch auf fünf Arbeitstage Urlaub pro Jahr. Erwerbstätige Eltern von Kindern bis acht Jahren und alle pflegenden Angehörigen erhalten das Recht, flexible Arbeitsregelungen zu beantragen. Die Frist für die Umsetzung der Richtlinie endete am 2. August 2022. Die folgenden Mitgliedstaaten haben keine nationalen Maßnahmen zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht mitgeteilt und erhalten daher ein Aufforderungsschreiben: Belgien, Tschechien, Dänemark, Deutschland, Irland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Kroatien, Zypern, Lettland, Luxemburg, Ungarn, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien und die Slowakei.
EU-Vorschriften für Saatgut: Richtlinie (EU) 2021/1927 hinsichtlich der Anforderungen an Hybridweizensaatgut, das durch zytoplasmatische männliche Sterilität erzeugt wird
Angesichts der technischen und der internationalen Entwicklungen wurde mit der Richtlinie (EU) 2021/1927 die Richtlinie 66/402/EWG über den Verkehr mit Getreidesaatgut geändert, um bestimmte Bedingungen für die Herstellung und das Inverkehrbringen von Hybridweizensaatgut festzulegen. Die Mitgliedstaaten mussten die Richtlinie bis zum 31. August 2022 umsetzen. Ungarn hat dies versäumt und erhält daher heute ein Aufforderungsschreiben.
EU-Vorschriften für Saatgut: Richtlinie (EU) 2021/971 zur Änderung mehrerer Richtlinien über den Verkehr mit Saatgut hinsichtlich der Verwendung biochemischer und molekularer Techniken
Mit der Richtlinie (EU) 2021/971 wurden die Anhänge der Richtlinien über den Verkehr mit Saatgut geändert, um den technischen und wissenschaftlichen Entwicklungen hinsichtlich der Verwendung biochemischer und molekularer bei der Saatgutzertifikation Rechnung zu tragen. Die Mitgliedstaaten mussten die Richtlinie bis zum 31. August 2022 umsetzen. Belgien, Kroatien und Ungarn haben dies versäumt und erhalten daher heute Aufforderungsschreiben.
Quelle: EU-Kommission