Zivilrecht - 8. Juli 2021

LG Leipzig entscheidet über Verwahrentgelte bei Girokonten

VZ Sachsen, Medieninformation vom 08.07.2021 zum Urteil 5 O 640/20 des LG Leipzig vom 08.07.2021

Dürfen Sparkassen Verwahrentgelte – auch als Strafzinsen oder Negativzinsen eingestuft – bei Guthaben auf Girokonten erheben? Mit dieser zwischen Verbraucherzentrale Sachsen und Sparkasse strittigen Frage setzte sich das Landgericht Leipzig im Urteil vom 8. Juli 2021 (Az. 5 O 640/20) auseinander.

Die Verbraucherzentrale Sachsen hat die Sparkasse Vogtland auf Unterlassung verklagt, weil diese bei Girokonten für Neukunden und kontowechselnden Bestandskunden ab dem 1. Februar 2020 ein Verwahrentgelt in Höhe von jährlich 0,7 Prozent bei einem Guthaben von über 5.000 Euro verlangt hat.

Die Verbraucherzentrale sieht in dem Verwahrentgelt einen unzulässigen Negativzins oder Strafzins, der nicht neben den Kontoführungsgebühren für das Girokonto verlangt werden dürfe. Dies sah das Gericht in dem konkreten Fall anders und hat zu Gunsten der Sparkasse entschieden, das heißt die Klage insoweit abgewiesen.

In der Rechtsprechung gab es schon Entscheidungen, nach denen Negativzinsen nicht einfach über einen Preisaushang in bestehende Verträge einbezogen werden durften. Aber dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Leipzig lag eine andere Konstellation zu Grunde.

Die Verwahrentgeltklausel wurde in den Preisaushang eingestellt, aber auch in die „Anlage Verwahrentgelt zu Girokonto“ aufgenommen, die die Sparkasse nach den Feststellungen des Landgerichts den Kunden bei Vertragsschluss vorlegte und von diesen unterzeichnen ließ. Damit wurde das Verwahrentgelt durch eine individuelle Vereinbarung, nicht über eine Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen einbezogen.

Zum anderen: Preishauptabreden unterfallen nicht einer Inhaltskontrolle an Hand der Vorschriften über allgemeine Geschäftsbedingungen (anders Preisnebenabreden). Um eine Preisabrede handelt es sich beim Verwahrentgelt, das mit Neukunden vereinbart wird. Betroffen waren hier ausschließlich neue, ab dem 1. Februar 2020 geschlossene Verträge; auch bei einem Kontowechsel eines Altkunden ab diesem Zeitpunkt wurde ein Neuvertrag abgeschlossen. Altverträge waren so von der Entgeltklausel ausgenommen. Für den Girovertrag typisch sind Ein- und Auszahlungen sowie Überweisungen. Aber die Bank verwahrt auf dem Girokonto auch das Geld des Kunden, das dieser jederzeit zurückfordern kann. Es muss sich bei diesen Geldern aber nicht allein um Einlagen handeln, die nur der Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs dienen, sondern auch um Gelder, die die Bank für den Kunden regelrecht „aufbewahrt“. Für diese Verwahrung kann die Bank in Neuverträgen als Sonderleistung ein Entgelt verlangen. Nicht unberücksichtigt bleiben kann, dass wegen der Verpflichtung der Bank zur Zahlung von Einlagezinsen bei der EZB der Bank für die Verwahrung der auf den Girokonten verwahrten Geldern erhebliche finanzielle Belastungen entstehen. Zwar sind die Sparkassen gemeinwohlorientiert, müssen sich aber auf der anderen Seite an Marktgegebenheiten ausrichten und wirtschaftlich agieren.

Die Sparkasse bot auch ein Kontoführungsmodell „VogtlandGiro Young“ an, das sie mit „kostenfreier Kontoführung für Schüler, Azubis und Studenten“ auf der Website beworben hatte. Allerdings sah das Gericht in der Zusage der Kostenfreiheit beim „VogtlandGiro Young“ eine irreführende Werbung, wenn auch hier ein Verwahrentgelt verlangt werde. Die auf der Website eingestellte Werbeaussage „bis 21 Jahre komplett gebührenfrei“ sei entscheidend und abschließend, eine Unterscheidung zwischen Kontoführung und Verwahrung dem angesprochenen Kundenkreis der Jugendlichen nicht bekannt. In diesem Punkt hat das Landgericht der Verbraucherzentrale Recht gegeben.

Quelle: VZ Sachsen