SG Stuttgart, Mitteilung vom 02.08.2019 zum Urteil S 9 KR 1689/18 vom 18.06.2019
Bei einer Erkrankung an Retinitis pigmentosa, einer erblich bedingten Netzhauterkrankung, besteht auf Grundlage des § 2 Abs. 1a SGB V ein Anspruch auf Kostenerstattung für die Behandlung mit der Transkornealen Elektrostimulationstherapie unter Verwendung des OkuStim-Systems, wenn sich die Krankheit nahe dem Endstadium und damit der Erblindung befindet, da eine medizinische Therapie derzeit nicht zur Verfügung steht und die Transkorneale Elektrostimulationstherapie eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bietet.
Die Beteiligten stritten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Kostenerstattung für die Behandlung mit der Transkornealen Elektrostimulationstherapie hat. Die Klägerin, die an Retinitis pigmentosa nahe dem Endstadium erkrankt ist, beantragte bei der Beklagten zunächst die Übernahme der Kosten für die Behandlung mit der Transkornealen Elektrostimulationstherapie unter Verwendung des OkuStim-Systems. Nach Ablehnung des Antrags auf Kostenübernahme führte die Klägerin diese Behandlung auf eigene Kosten seit Januar 2018 durch. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück mit der Begründung, dass es sich bei Retinitis pigmentosa weder um eine akut lebensbedrohliche Erkrankung noch um eine damit wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung handle und zudem auch keine Anhaltspunkte für eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf vorliegen.
Das Gericht gab der Klage statt. Es bestehe ein Anspruch auf Kostenerstattung aus § 2 Abs. 1a SGB V, da die drohende Erblindung wertungsmäßig mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung vergleichbar sei, eine medizinische Therapie zur Behandlung dieser Erkrankung derzeit nicht zur Verfügung stehe und zudem eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf eine positive Einwirkung der Transkornealen Elektrostimulationstherapie auf den Krankheitsverlauf bestehe. Dabei schade es nicht, dass der Nutzen dieser Therapie noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen sei. Aufgrund der hoffnungslosen Situation der Klägerin sei ein geringerer Evidenzgrad an den Nutzen der streitgegenständlichen Therapie zu stellen. Ausreichende Indizien für eine positive Einwirkung ergeben sich aus den Anwendungsbeobachtungen und kleineren Studien in Zusammenschau mit dem wissenschaftlichen Erklärungsmodell der Methode.