EU-Recht - 10. Dezember 2021

Kommission startet Konsultation zu Leitlinien zu Tarifverträgen für Soloselbstständige

EU-Kommission, Pressemitteilung vom 09.12.2021

Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Sozialpartner und alle interessierten Kreise können ab 09.12.2021 an einer öffentlichen Konsultation zum Entwurf der Leitlinien zur Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts auf Tarifverträge teilnehmen. „Die Digitalisierung wirkt sich nicht nur auf die Geschäftstätigkeit der Unternehmen, sondern auch auf die Arbeitsweise der Menschen aus. Sie bietet Chancen, stellt aber auch einige Menschen vor Herausforderungen. Selbst außerhalb der Plattformwirtschaft ist es für einige Solo-Selbstständige schwierig, bei ihren Arbeitsbedingungen mitzubestimmen. Wir führen nun eine Konsultation zu einem Entwurf für Leitlinien durch, die Rechtssicherheit schaffen und klarstellen sollen, in welchen Fällen das Wettbewerbsrecht den Bemühungen dieser Menschen, durch Tarifverhandlungen ein besseres Ergebnis zu erzielen, nicht entgegensteht“, so Margrethe Vestager, Exekutiv-Kommissionsvizepräsidentin.

Der Leitlinienentwurf ist Teil eines Pakets, das auch einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit und eine Mitteilung über die umfassende Nutzung der Vorteile der Digitalisierung für die Zukunft der Arbeit enthält.

Tarifverträge sind ein wichtiges Instrument zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Selbstständige gelten jedoch grundsätzlich als „Unternehmen“ und laufen deshalb Gefahr, gegen Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu verstoßen, wenn sie ihre Bezahlung und sonstigen Geschäftsbedingungen kollektiv aushandeln. Daher sind Selbständige oft unsicher, ob sie Tarifverhandlungen führen können.

Der Leitlinienentwurf, zu dem die Kommission nun eine Konsultation durchführt, soll klarstellen, unter welchen Umständen das Wettbewerbsrecht Tarifverträgen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen bestimmter Selbstständiger, d. h. von Personen, die vollständig auf sich gestellt arbeiten und keine anderen beschäftigen, nicht entgegensteht. Auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung wird in dem Leitlinienentwurf erläutert, wann Solo-Selbstständige mit Arbeitnehmern vergleichbar sind und somit nicht unter Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) fallen.

Zudem wird präzisiert, dass bestimmte Vereinbarungen kein Eingreifen der Kommission nach Artikel 101 AEUV auslösen würden. Dies wäre der Fall, wenn es für Solo-Selbstständige schwierig ist, auf ihre Arbeitsbedingungen Einfluss zu nehmen, weil sie sich in einer schwachen Verhandlungsposition befinden. Da sich die Arbeitsmärkte sich sowohl in der Online- als auch in der Offline-Welt weiterentwickelt haben, sind einige Selbstständige nicht so unabhängig, wie das normalerweise bei diesem Status der Fall ist. Für sie kann es deshalb schwierig sein, ihre Situation zu verbessern. Ihre Arbeitsbedingungen können sich verschlechtern und ihre Einkommen sinken.

Der Leitlinienentwurf deckt ein breites Spektrum von Solo-Selbstständigen ab: Menschen, die wirtschaftlich abhängig sind oder Seite an Seite mit anderen Arbeitnehmern in der Online- und Offline-Welt arbeiten, Menschen, die über Plattformen arbeiten, oder Personen, die ihre Arbeitsbedingungen mit Gegenparteien mit einer gewissen Wirtschaftsmacht aushandeln oder für die gemäß der Urheberrechtsrichtlinie und dem nationalen Arbeitsrecht Tarifverträge gelten.

Der Leitlinienentwurf steht mit einem am 09.12.2021 veröffentlichten Vorschlag im Zusammenhang, der auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit und gleichzeitig auf die Förderung des nachhaltigen Wachstums digitaler Arbeitsplattformen in der Europäischen Union abzielt. Die Kommission legt heute einen Vorschlag für eine Richtlinie und eine Mitteilung über die Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei der Plattformarbeit vor. Der Anwendungsbereich des Leitlinienentwurfs ist jedoch nicht auf die Online-Plattformwirtschaft beschränkt.

Nächste Schritte

Interessierte Kreise können bis zum 24. Februar 2022 Stellungnahmen übermitteln, die anschließend von der Kommission geprüft werden. Die endgültige Fassung der Leitlinien soll zusammen mit dem Folgenabschätzungsbericht im zweiten Quartal 2022 veröffentlicht werden. Die endgültigen Leitlinien sind für die Kommission bei der Auslegung und Durchsetzung der EU-Wettbewerbsvorschriften verbindlich.

Quelle: EU-Kommission