Konsultation zu Mindestlöhnen - 4. Juni 2020

Kommission befragt Sozialpartner zu gerechten Mindestlöhnen in der EU

EU-Kommission, Pressemitteilung vom 03.06.2020

Die Europäische Kommission will von den europäischen Gewerkschaften und Arbeitgebern wissen, wie gerechte Mindestlöhne für alle Arbeitnehmer in der Europäischen Union gewährleistet werden können. Dazu hat sie am 03.06.2020 die zweite Phase der Konsultation zu Mindestlöhnen gestartet. Das Konsultationspapier zeigt Optionen für EU-Maßnahmen auf, mit denen ein angemessenes Niveau für Mindestlöhne erreicht werden soll. „Während wir auf eine inklusive wirtschaftliche Erholung von der Coronavirus-Krise hinarbeiten, wollen wir sicherstellen, dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der EU durch einen gerechten Mindestlohn geschützt werden, der ihnen am Ort ihrer Arbeit einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht“, sagte der für eine Wirtschaft im Dienste der Menschen zuständige Exekutiv-Vizepräsident Valdis Dombrovskis.

Die erste Konsultationsphase lief vom 14. Januar bis zum 25. Februar 2020. Auf der Grundlage der eingegangenen Antworten kam die Kommission zu dem Schluss, dass weitere EU-Maßnahmen erforderlich sind.

„Die Sozialpartner spielen eine entscheidende Rolle bei der Aushandlung von Löhnen auf nationaler und lokaler Ebene. Sie sollten bei der Festlegung der Mindestlöhne einbezogen werden, und zwar sowohl in Ländern, die sich ausschließlich auf tarifvertraglich vereinbarte Lohnuntergrenzen stützen, als auch in Ländern mit einem gesetzlichen Mindestlohn“, sagte Dombrovskis weiter.

Nicolas Schmit, der für Beschäftigung und soziale Rechte zuständige EU-Kommissar, sagte: „Jede sechste Arbeitskraft in der EU gilt als Geringverdiener, die Mehrheit davon sind Frauen. Diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben unsere Gesellschaften und Volkswirtschaften am Laufen gehalten, als alles andere stillstehen musste. Paradoxerweise werden sie am härtesten von der Krise getroffen. Die Arbeit an einer Initiative zu Mindestlöhnen in der EU ist daher ein wesentliches Element unserer Strategie für die Erholung der Wirtschaft. Jeder verdient einen angemessenen Lebensstandard.“

Dafür zu sorgen? dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der EU einen angemessenen Lebensunterhalt verdienen, ist sowohl für die wirtschaftliche Erholung als auch für den Aufbau fairer und widerstandsfähiger Volkswirtschaften von entscheidender Bedeutung. Mindestlöhne spielen dabei eine wichtige Rolle.

In 22 Mitgliedstaaten gibt es einen gesetzlichen nationalen Mindestlohn und in sechs weiteren Mitgliedstaaten werden die Löhne durch Tarifverhandlungen festgelegt (in einigen Fällen auch Mindestlöhne).

In einem angemessenen Rahmen mit den Sozialpartnern ausgehandelte Mindestlöhne, die eingehalten und regelmäßig aktualisiert werden, können

  • schutzbedürftigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in schwierigen Zeiten einen finanziellen Puffer bieten,
  • größere Arbeitsanreize schaffen und damit die Produktivität steigern,
  • Lohnungleichheiten in der Gesellschaft abbauen,
  • die Binnennachfrage steigern und die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft stärken und
  • zum Abbau des geschlechtsspezifischen Lohngefälles beitragen.

Wenn sie auf einem angemessenen Niveau und unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedingungen festgelegt werden, unterstützen sie schutzbedürftige Arbeitnehmer und tragen dazu bei, sowohl die Beschäftigung als auch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu erhalten.

Die Kommission strebt weder die Festlegung eines einheitlichen europäischen Mindestlohns noch die Harmonisierung der Systeme zur Festsetzung der Mindestlöhne an. Jede etwaige Maßnahme würde unterschiedlich angewandt, je nach den betreffenden Mindestlohnsystemen und Traditionen der Mitgliedstaaten, und unter uneingeschränkter Achtung der nationalen Zuständigkeiten und der Vertragsfreiheit der Sozialpartner.

Die Kommission möchte sicherstellen, dass alle Systeme angemessen sind, eine ausreichende Reichweite haben, die umfassende Konsultation der Sozialpartner vorsehen und über einen geeigneten Aktualisierungsmechanismus verfügen.

Im Konsultationspapier zur zweiten Phase werden Optionen für EU-Maßnahmen aufgezeigt, mit denen sichergestellt werden soll, dass Mindestlöhne auf einem angemessenen Niveau festgesetzt und alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschützt werden.

Wie aus den Antworten der Sozialpartner im Rahmen der ersten Phase der Konsultation hervorgeht, kommt Tarifverhandlungen eine entscheidende Rolle zu. Daher soll mit einer EU-Initiative Folgendes gewährleistet werden:

  • gut funktionierende Tarifverhandlungssysteme für die Lohnfestsetzung;
  • nationale Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, gesetzliche Mindestlöhne nach klaren und stabilen Kriterien festzulegen und regelmäßig zu aktualisieren;
  • die Sozialpartner sind effektiv an der Festlegung des gesetzlichen Mindestlohns beteiligt? um die Angemessenheit des Mindestlohns zu unterstützen;
  • Unterschiede bei den Mindestlöhnen und Ausnahmen werden beseitigt oder begrenzt;
  • nationale Mindestlohnrahmen werden wirksam eingehalten und es gibt Überwachungsmechanismen.

Die Sozialpartner werden gebeten, die Fragen der Konsultation bis zum 4. September 2020 zu beantworten. Dazu gehört auch die Frage, welches Instrument am besten geeignet wäre. Die Kommission erwägt sowohl legislative als auch nichtlegislative Instrumente, d. h. eine Richtlinie im Bereich der Arbeitsbedingungen und eine Empfehlung des Rates.

Angesichts der derzeitigen Umstände im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie und um den Sozialpartnern ausreichend Zeit für die Übermittlung ihrer Antworten einzuräumen, ist dieser Konsultationszeitraum länger als bei früheren Konsultationen.

Der nächste Schritt dieser zweiten Konsultationsphase sind entweder Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern im Hinblick auf den Abschluss einer Vereinbarung gemäß Artikel 155 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) oder die Vorlage eines Vorschlags durch die Europäische Kommission. Die Konsultation wird an die Organisationen der Europäischen Sozialpartner gesendet, die laut Art. 154 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union befragt werden. Nationale Organisationen können sich an ihren jeweiligen europäischen Dachverband wenden.