VG Berlin, Pressemitteilung vom 31.10.2019 zum Urteil 10 K 412.18 vom 31.10.2019
Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Klage dreier Familien von Bio-Landwirten sowie von Greenpeace gegen die Bundesregierung auf Einhaltung des Klimaziels 2020 abgewiesen.
Im Dezember 2014 hat die Bundesregierung beschlossen, die Treibhausgas-Emissionen in Deutschland bis 2020 gegenüber dem Jahre 1990 um 40 % zu reduzieren (Klimaziel 2020). Deutschland wird im Jahr 2020 jedoch voraussichtlich nur eine Reduzierung um 32 % erreichen. Auch die europarechtlich vorgesehene Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen um 14 % in Bereichen, die nicht dem Emissionshandel unterliegen, gegenüber dem Stand von 2005 (vgl. „Lastenteilungsentscheidung“ vom 23. April 2009 – 406/2009/EU) wird Deutschland voraussichtlich nicht durch Maßnahmen im eigenen Land erreichen. Die in Schleswig-Holstein, Niedersachen und Brandenburg wohnenden Kläger begehren von der Bundesregierung Maßnahmen zur Einhaltung des Klimaziels 2020. Sie meinen, Kabinettsbeschlüsse seien juristisch verbindliche Rechtsakte, auf die sie sich berufen könnten. Eine entsprechende Verpflichtung der Bundesregierung ergebe sich auch aus der Lastenteilungsentscheidung der EU. Darüber hinaus machen die Kläger eine Verletzung ihrer Grundrechte und einen Verstoß gegen das so genannte Untermaßverbot geltend. Die Bundesregierung habe Maßnahmen unterlassen, die verfassungsrechtlich als Mindestmaß an Klimaschutz geboten seien.
Die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Es fehle den Klägern an der Klagebefugnis. Eine Grundlage, aus der sich eine Pflicht der Bundesregierung zum geforderten Handeln ergebe, sei nicht ersichtlich. Der Beschluss der Bundesregierung zum Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 sei eine politische Absichtserklärung, enthalte aber keine rechtsverbindliche Regelung mit Außenwirkung, auf die sich die Kläger berufen könnten. Zudem habe die Bundesregierung das Klimaziel 2020 durch den mit Kabinettsbeschluss vom 9. Oktober 2019 verabschiedeten Regierungsentwurfs zum Bundes-Klimaschutzgesetz in zulässiger Weise auf das Jahr 2023 hinausgeschoben. Auch aus der Lastenteilungsentscheidung der EU ergebe sich keine unbedingte Verpflichtung, die Reduzierungsziele ausschließlich durch Maßnahmen im eigenen Land einzuhalten. Vielmehr sei es bei Verfehlen des Reduktionsziels zulässig, überschüssige Emissionsberechtigungen von anderen EU-Mitgliedstaaten zu erwerben.
Die Kläger könnten sich zum Schutz ihres Eigentums an den landwirtschaftlichen Betrieben nicht auf das Grundrecht aus Art. 14 GG berufen. Dem Gesetzgeber wie der vollziehenden Gewalt komme bei der Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten ein weiter, gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu. Die öffentliche Gewalt müsse Vorkehrungen zum Schutz der Grundrechte treffen, die nicht gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich seien. Die Kläger hätten nicht ausreichend dargetan, dass die Maßnahmen der Bundesregierung zum Klimaschutz völlig ungeeignet und unzulänglich gewesen seien und deshalb ein Verstoß gegen das sog. Untermaßverbot vorliege. Wenn im Jahr 2020 eine Reduzierung um 32 % statt 40 % erreicht werde und das Klimaziel 2020 erst drei Jahre später erfüllt werden solle, so genüge dies nicht für die Annahme, die bisherigen Maßnahmen seien völlig unzureichend. Das 40 %-Ziel stelle nicht das verfassungsrechtlich absolut gebotene Minimum an Klimaschutz dar.
Greenpeace selbst habe kein Klagerecht nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz. Eine mögliche Verbandsklagebefugnis zur Kontrolle der Einhaltung des europarechtlichen Umweltschutzes führe nicht weiter, da die einschlägige Regelung der EU-Lastenverteilungsentscheidung keine unbedingte Reduktionspflicht enthalte.
Das Gericht hat die Berufung gegen das Urteil zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.