Berufsstand - 22. Oktober 2024

Keine Wiedereinsetzung – BVerwG: „Was man unterschreibt, sollte man vorher gelesen haben“

BRAK, Mitteilung vom 22.10.2024 zum Beschluss 6 B 6.24 des BVerwG vom 16.09.2024

Wer als Anwältin einen falschen Schriftsatz per beA ans Gericht schickt, kann sich nicht auf den Fehler der sonst zuverlässigen Angestellten berufen.

Weist eine Anwältin ihre Kanzleiangestellte an, eine Berufungsbegründung für den Versand an das Gericht fertigzumachen, muss sie das Arbeitsergebnis vor Unterzeichnung sorgfältig kontrollieren: „Was man unterschreibt, sollte man vorher gelesen haben.“ Mit diesen Worten im Leitsatz hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) einem Kläger die Wiedereinsetzung in die versäumte Rechtsmittelfrist wegen Anwaltsverschuldens verneint (Beschluss vom 16.09.2024, Az. 6 B 6.24).

Ein Student wollte gegen die Nichtbewertung seiner Bachelorarbeit vorgehen. Ein Widerspruch war zunächst erfolglos, ebenso die anschließende Klage. Lediglich mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung hatte er – zunächst – Erfolg. Nun aber unterlief seiner Anwältin ein Fehler: Sie verfasste zwar eine Berufungsbegründung, allerdings, so ihr Vortrag, unterlief ihrer stets zuverlässigen Kanzleiangestellten ein Fehler und diese legte ihr den versehentlich den Antrag auf Zulassung der Berufung statt der Berufungsbegründung zur Unterschrift vor. Der Anwältin fiel dies aber nicht auf, sie kontrollierte nur die Adresszeile und versendete den Schriftsatz ans Gericht. Nur das elektronisch übermittelte Dokument trug dabei den Namen „1_Berufungsbegründung.pdf“. Erst ca. vier Monate später fiel ihr der Fehler auf, sie sendete die echte Berufungsbegründung nach und stellte einen Antrag auf Wiedereinsetzung. Allerdings in allen Instanzen vergebens. Das Gericht verwarf die Berufung als verfristet.

BVerwG rügt Anwältin

Auch beim BVerwG hatte sie keinen Erfolg. Auf die ansonsten zuverlässige Kanzleiangestellte könne sie sich hier nicht berufen. Denn eine im Vorfeld erteilte, den Inhalt einer Rechtsmittelschrift betreffende Weisung, entbinde eine Rechtsanwältin regelmäßig nicht von der Pflicht, das vorgelegte Arbeitsergebnis vor Unterzeichnung sorgfältig auf die richtige und vollständige Umsetzung der Vorgaben zu überprüfen. Weil die Unterzeichnung eines Schriftsatzes als prozessrechtliche Handlung allein Anwältinnen und Anwälten vorbehalten sei, gelte: „Was man unterschreibt, sollte man vorher gelesen haben.“

Eine Auslegung des vorgelegten Schriftsatzes als Berufungsbegründung komme hier nicht in Betracht – der Schriftsatz sei eindeutig ein Antrag auf Zulassung der Berufung gewesen. Dies ginge aus dem Aktenzeichen, dem Betreff, der Einleitung und dem Fazit hervor.

Eine Umdeutung des Antrags in eine Berufungsbegründung komme ebenfalls nicht in Betracht – jedenfalls nicht mehr nach Ablauf der Begründungsfrist. Diese Rechtsmittel seien auf unterschiedliche Ziele gerichtet und wegen des Stufenverhältnisses nicht austauschbar.

Die Verwaltungsrichterinnen und -richter rechneten schließlich das Verschulden der Anwältin dem Studenten zu, die Wiedereinsetzung wurde nicht gewährt.

Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer