Berufsrecht - 23. August 2019

Keine Weitergabe der beA-Karte!

BRAK, Mitteilung vom 22.08.2019 zum ArbG Lübeck, Hinweis 6 Ca 679/19 vom 19.06.2019

Viel wurde schon geschrieben zur (Un)-Zulässigkeit der Weitergabe der beA-Karte samt PIN an Dritte. Nunmehr haben wir mit einem – nicht rechtsmittelfähigen – richterlichen Hinweis des ArbG Lübecks vom 19.06.2019 – 6 Ca 679/19 die erste „offizielle“ Meinung hierzu. Der Rechtsstreit ist allerdings noch nicht abgeschlossen.

Um was ging es? Der Beklagtenvertreter A bereitete eine Klageerwiderung vor. Diese endete aufgrund seiner geplanten urlaubsbedingten Abwesenheit im Zeitpunkt der Unterzeichnung mit:

„A

Rechtsanwalt

(in seiner Abwesenheit unterzeichnet von)

[Wiedergabe einer eingescannten Unterschrift]

B

Rechtsanwältin.“

Der Schriftsatz wurde sodann als elektronisches Dokument am Tag des Fristablaufs über das beA Postfach des vertretenen Rechtsanwalts A mittels dessen beA-Profil – also mit dessen Karte und PIN – ohne qualifizierte elektronische Signatur (qeS) von der vertretenden Rechtsanwältin B an das Gericht übersandt. Im weiteren Verlauf räumte der Beklagtenvertreter A gegenüber dem Gericht ein, sowohl beA-Karte als auch PIN an seine Vertreterin B weitergegeben zu haben.

Eine zulässige elektronische Übermittlung von Schriftsätzen könne, so das ArbG, gemäß § 46c Abs. 3 ArbGG über eine qeS oder über einen sicheren Übermittlungsweg und einfache Signatur erfolgen. Hier kranke die Übersendung aber schon daran, dass keine Identität zwischen dem Übersender (Postfachinhaber) und der als verantwortliche Person durch die einfache Signatur ausgewiesenen Vertreterin bestand. Bereits deshalb sei die prozessuale Form nicht gewahrt worden und der Schriftsatz daher unwirksam.

Gravierender sei nach Meinung des ArbG Lübecks allerdings die Weitergabe der persönlichen beA-Karte des Rechtsanwalts samt PIN an eine andere Person. Für die Unzulässigkeit dieser Vorgehensweise – und damit einhergehend auch für die Unwirksamkeit des gerichtlichen Eingangs eines auf diese Weise elektronisch übermittelten Schriftsatzes – sprächen Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung (Sicherstellung der Identität des Einreichenden), die Gesetzesentwurfsbegründung und die Pflichten des Rechtsanwalts aus der Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer. Danach dürfe das Recht, nicht qualifiziert elektronisch signierte Dokumente über beA zu versenden, nicht auf Dritte übertragen werden. Überdies sei die dem Zertifikat zugehörige PIN geheim zu halten, § 26 I RAVPV.

Die über den einzelnen Schriftsatz hinausgehende Konsequenz eines solchen Vorgehens sei nach Auffassung des ArbG Lübeck erheblich: Zumindest bis zur Änderung der PIN sei der betroffene Rechtsanwalt wegen Kompromittierung seiner Karte nicht in der Lage, über seinen beA-Zugang auf sicherem Übermittlungsweg wirksam Schriftsätze einzureichen. Man wird sehen, ob sich diese Rechtsauffassung in der Zukunft als richtig erweisen wird.

Das ArbG ging übrigens ganz selbstverständlich davon aus, dass Rechtsanwältin B als Vertreterin für A auftrat und damit die Verantwortung für den Rechtsanwalt übernahm. Wie die Entscheidung des BGH (Beschl. v. 26.07.2012, III ZB 70/11, Rz. 11) zeigt, ist dieser Schluss nicht in jedem Fall zwingend. Während der Zusatz „i.V.“ auf eine echte Vertretung hinweist (BGH Beschl. v. 25.09.2018 – XI ZB 6/17), genügt eine Botenschaft, die häufig mit „i.A.“ kenntlich gemacht wird, in der Regel nicht, um die Verantwortlichkeit des Unterzeichnenden festzustellen (BGH Urt. v. 27.02.2018 – XI ZR 452/16). Zusätze wie „in Abwesenheit“ oder „nach Diktat verreist“ sind auslegungsbedürftig und weisen nicht in jedem Fall auf einen echten Vertretungsfall hin.