AG München, Pressemitteilung vom 04.10.2019 zum Urteil 452 C 17000/17 vom 27.06.2018 (rkr)
Allein die aufopferungsvolle Pflege des Mieters durch sein Kind gibt keinen Anspruch nach dessen Tod in das Mietverhältnis eintreten zu dürfen.
Das Amtsgericht München verurteilte am 27.06.2018 die Beklagte, die von ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Vater übernommene Drei-Zimmer-Wohnung in München-Nymphenburg zu räumen und an die klagende Stiftung herauszugeben.
Mit Vertrag vom 01.02.1970 mietete der Vater der Beklagten von der Klägerin die streitgegenständliche Wohnung an. Vier Wochen nach seinem Tod im Frühjahr 2017 erklärte die Beklagte, in das Mietverhältnis einzutreten. In der folgenden Woche erklärte die Klägerin, das Mietverhältnis zu kündigen. Die Klägerin trägt vor, die Beklagte habe ihren Vater zwar gepflegt, jedoch keinen gemeinsamen Haushalt geführt. Der Beklagte wendet ein, sie habe, als es ihrem Vater ab August 2015 schlechter ging, mit ihm einen gemeinsamen Hausstand geführt, auch wenn sie ihre bisherige Wohnung behalten habe.
Im Beweistermin erklärte der als Zeuge gehörte Verwandte der Beklagten, dass sie ab dem Jahr 2015 zu ihrem Vater, der rund um die Uhr hilfsbedürftig war, gezogen sei. Anders sei die Pflege nicht zu leisten gewesen. In ihrer bisherigen Wohnung habe sie als Selbständige ein Büro betrieben. Er gehe davon aus, dass die Beklagte nur einen Teil ihrer persönlichen Gegenstände in der väterlichen Wohnung habe und vermutlich den Rest in der anderen Wohnung. Er habe bei einem Besuch Kleidung, Kosmetiksachen und ein Trimmdichrad der Beklagten in der Wohnung ihres Vaters gesehen.
Der den Vater behandelnde Arzt gab an, dass es aus ärztlicher Sicht nötig gewesen sei, den Vater rund um die Uhr zu betreuen. Es sei ohnehin verwunderlich, dass dies zu Hause bewerkstelligt werden konnte. Es sei auch ein ambulanter Pflegedienst eingeschaltet gewesen. „Auch in der Nacht musste der Patient betreut werden, deshalb gehe ich davon aus, dass die Beklagte dort gewohnt hat. (…) Etwa viermal pro Tag mussten beim Patienten Wäsche und Windeln gewechselt werden. Er hätte wohl nachts nicht allein gelassen werden können. Von der Beklagten bin ich des Öfteren über akute Vorfälle verständigt worden. Ich war zwei bis dreimal im Quartal in der Wohnung. Auch im ärztlichen Bereitschaftsdienst war ich öfters dort. Die Beklagte befand sich bei meinem jeweiligen Eintreffen nicht immer in der Wohnung.“
Ein Nachbar bestätigte, die Beklagte die letzten ein bis zwei Jahre bei schönem Wetter täglich gesehen zu haben. Ob sie dort gewohnt habe, wisse er nicht. Ihr gehöre wohl auch noch eine andere Wohnung.
Der zuständige Richter am Amtsgericht München gab der Klägerin Recht.
„Die Führung eines gemeinsamen Haushalts erfordert über das gemeinsame Wohnen in derselben Wohnung hinaus ein in gewisser Weise arbeitsteiliges Zusammenwirken bei der Lebensführung in Bezug auf die typischerweise in einem Haushalt anfallenden Verrichtungen (z. B. Reinigung, Einkaufen, Kochen, Anschaffung von Haushaltsgegenständen, Versorgung und Pflege bei Krankheit, Verwaltung des Einkommens bzw. Vermögens usw.) (…). Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass (Anm. des Verf.: bei einem im Haushalt der verstorbenen Mieterin lebenden Kind) „(…) keine überspannten Anforderungen zu stellen sind. Insbesondere muss das Kind gemäß § 563 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht wie ein übriger Angehöriger den Haushalt zusammen mit dem verstorbenen Mieter geführt haben, sondern es reicht aus, dass es lediglich in dessen Haushalt gelebt hat.“ (Urteil VIII ZR 25/14 vom 10.12.2014). Doch liegt hier bereits kein Zusammenleben vor. (…) Bereits die Anhörung der Beklagten ergab, dass sie ihren Lebensmittelpunkt in der Wohnung (…) nicht aufgab, sondern nur zum Zwecke der Pflege ihres Vaters einschränkte. Sie gab an, z. T. sechs Mal pro Woche bei ihrem Vater übernachtet zu haben, z. T. drei bis vier Mal. Ihren Hund habe sie in (Anm. des Verf.: ihrer Wohnung) gelassen, den sie zudem versorgen musste. Auch das Arbeitszimmer (Anm. des Verf.: ihrer Wohnung) habe sie weiterhin für eine selbständige Tätigkeit genutzt. (…) Die vernommenen Zeugen (…) konnten lediglich einzelne Beobachtungen bzw. Einschätzungen wiedergeben. Die Zeugin (…) gab u. a. an, dass ihr die Beklagte erzählte, dass sie am Todestag ihres Vaters nach Hause gefahren sei und ihn erst am nächsten Tag tot vorgefunden habe.
Der Beklagten ist daher der Nachweis, dass sie in der Wohnung ihres Vaters gelebt hat, nicht gelungen.“
Das Urteil ist nach Zurücknahme der Berufung rechtskräftig.