BRAK, Mitteilung vom 08.05.2025 zum Beschluss 3 W 10/25 des OLG Stuttgart vom 10.03.2025
Dass ein Richter eine Videoverhandlung wegen Komplexität und störanfälliger Technik ablehnt, begründet nicht die Besorgnis der Befangenheit.
Das OLG Stuttgart hat klargestellt, dass die Ablehnung einer Videoverhandlung gem. § 128a ZPO durch einen Richter wegen störanfälliger Technik und eines sehr komplexen Falles mit hohem Streitwert nicht die Besorgnis der Befangenheit begründet (Beschluss vom 10.03.2025, Az. 3 W 10/25).
Fall zu komplex – Richter lehnt Videoverhandlung ab
Eine GmbH verlangte von zwei Photovoltaikfirmen die Rückzahlung von ca. 1,4 Millionen Euro. Hintergrund war der Bau einer Photovoltaikanlage für ein Solarprojekt, das am Ende gescheitert war. Das persönliche Erscheinen der Geschäftsführer der Beklagten wurde angeordnet. Mehrmals wurden bereits Verhandlungstermine wegen Ortsabwesenheit der Beteiligten verschoben, eine weitere Verschiebung stand im Raum, hier gab es aber Schwierigkeiten bei der Abstimmung. Beide Parteien hatten mehrfach die Durchführung einer Videoverhandlung nach § 128a ZPO beantragt, zuletzt die Beklagten wegen Urlaubsabwesenheit ihres Geschäftsführers. Der Richter lehnte jedoch ab, mit folgender Begründung: „Der Fall eignet sich im Hinblick auf seine Komplexität und die Höhe des Streitwerts nicht. Zudem funktioniert die Technik nicht stets zuverlässig.“
Dies sowie einige weitere Gründe nahmen die Beklagten zum Anlass, den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Es sei nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass ihr Geschäftsführer im Ausland sei, das rechtliche Gehör sei verletzt. Die Probleme der Terminfindung hätte man mit einer Videoverhandlung beseitigen können. Zudem funktioniere die Technik im Gericht einwandfrei, man habe sich erkundigt. In seiner Stellungnahme trat der abgelehnte Richter dieser Auffassung entgegen: Erst am Vortag habe eine Kollegin über große Probleme berichtet.
Die Kammer verwarf das Ablehnungsgesuch schon als unzulässig, weil es darin eine rechtsmissbräuchliche Verschleppungsabsicht sah. Es diene außerdem dazu, dem Geschäftsführer einen Urlaub zu ermöglichen, den dieser offensichtlich nach einer bereits erfolgten Terminverschiebung gebucht haben müsse. Der Antrag enthalte schließlich – neben Floskeln, Zitaten und Redundanzen – einige Unwahrheiten. Gegen diesen Beschluss legten die Beklagten sofortige Beschwerde ein.
OLG Stuttgart: Richter nannte sachliche Gründe gegen Videoverhandlung
Das OLG Stuttgart befand hingegen, dass die genannten Gründe für das Ablehnungsgesuch nicht schon offensichtlich rechtsmissbräuchlich seien und der Antrag daher zulässig gewesen sei – allerdings unbegründet. Gemäß § 42 ZPO könne ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn objektive Gründe vorliegen, die aus Sicht eines vernünftigen Verfahrensbeteiligten Zweifel an der Unparteilichkeit des Richters begründen. Solche Gründe lägen hier nicht vor.
Wenngleich nach der Neufassung der Norm nach § 128a Abs. 3 Satz 1 ZPO die Teilnahme an einer Videoverhandlung grundsätzlich gestattet werden soll, gelte dies nur in geeigneten Fällen und soweit ausreichende Kapazitäten zur Verfügung stünden (§ 128a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die maßgeblichen Gründe seien hier die Komplexität des Falles und die Höhe des Streitwertes gewesen. Hierbei handele es sich um sachliche Erwägungen, die bei der Frage der Geeignetheit des Falles eine Rolle spielten.
Auch die ergänzend angeführte Erwägung des abgelehnten Einzelrichters, dass die Technik nicht stets zuverlässig funktioniere, sei nicht sachfremd. Denn § 128a Abs. 1 Satz 1 ZPO stelle gerade auch auf ausreichende Kapazitäten ab, nehme mithin auch technische Rahmenbedingungen in den Blick. Dass die Videotechnik trotz Vorliegen der technischen Voraussetzungen nicht stets störungsfrei funktioniere, sei dem Senat aus eigener Erfahrung bekannt.
Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer