LG München II, Pressemitteilung vom 24.05.2023 zum Urteil 11 O 1858/21 Ent vom 24.05.2023 (nrkr)
Die 11. Zivilkammer des Landgerichts München II hat mit Endurteil vom 24. Mai 2023 (Az. 11 O 1858/21 Ent) die Klage eines Kindes auf Schmerzensgeld abgewiesen, das sich wegen einer Anordnung des Gesundheitsamtes für die Dauer von 14 Tagen in häusliche Quarantäne begeben musste.
„Der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Schmerzensgeld (…) zu“, heißt es in den Entscheidungsgründen. Die Absonderungsanordnung beruhe auf einer gesetzesmäßigen Ermächtigungsgrundlage, wobei der Beklagte ohnehin nicht für legislatives Unrecht hafte, so die Kammer. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass das damals 5 Jahre alte Kind im Kindergarten Kontakt zu einer mit dem SARS/COV2-Virus infizierten Betreuerin hatte. In einem solchen Fall eines „Ansteckungsverdachts“ ermächtige § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG a. F. i. V. m. §§ 29 bis 31 IfSG das Gesundheitsamt dazu, eine häusliche Absonderung für alle Kinder der Kindergartengruppe anzuordnen. „Dem Interesse der Klägerin, sich frei bewegen zu können, stehen die Interessen der Allgemeinheit an einem möglichst wirksamen Schutz von Leib und Leben und einer bestmöglichen Krankenversorgung gegenüber“, begründet die Kammer ihre Entscheidung. Um (mögliche) Infektionsketten zu unterbrechen, sei die häusliche Quarantäne im familiären Umfeld ein angemessenes Mittel; die Dauer der Quarantäne sei bei einer Inkubationszeit der seinerzeit vorherrschenden COVID-19 Variante von 10 bis 14 Tagen auch nicht zu lang gewesen. Zum damaligen Zeitpunkt sei für das Kind als Kontaktperson ein „Freitesten“ nicht zulässig gewesen. Das Gesundheitsamt habe sich an die Empfehlungen des RKI gehalten. Schließlich sei dem Kind auch kein spürbarer immaterieller Schaden entstanden: Es habe sich – zum Schutz anderer Menschen – im häuslichen Umfeld und im Garten frei bewegen können und keinerlei Demütigungen oder körperlichen Zwang ertragen müssen, die (gegebenenfalls) unter Ausgleichs- oder Genugtuungsaspekten einen Schmerzensgeldanspruch zu rechtfertigen vermögen würden.
Das Urteil vom 24. Mai 2023 ist nicht rechtskräftig.
Quelle: Landgericht München II