Sozialrecht - 26. November 2020

Kein Pflegeentlastungsbetrag bei „Haushalt-Corona-Hilfe“ durch Privatperson, wenn coronabedingter Versorgungsengpass nicht glaubhaft gemacht

LSG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 26.11.2020 zum Beschluss L 4 P 3250/20 ER-B vom 09.11.2020

Ist ein coronabedingter Versorgungsengpass nicht glaubhaft gemacht, besteht kein Anspruch auf Zahlung des Pflegeentlastungsbetrags von monatlich 125 Euro bei Inanspruchnahme von „Haushalt-Corona-Hilfe“ durch Privatperson.

Bei dem in Mannheim lebenden Antragsteller A ist der Pflegegrad 2 (seit Juli 2020: Pflegegrad 3) anerkannt. Nach § 45b Abs. 1 SGB XI haben Pflegebedürftige in häuslicher Pflege grundsätzlich Anspruch auf einen Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro monatlich (Kostenerstattung gegen Nachweise bei Inanspruchnahme durch einen nach Landesrecht anerkannten Dienstleister wie z. B. eine Sozialstation). Der Antragsteller hatte entsprechende haushaltsnahe Dienstleistungen (Einkaufen, Putzen, Botengänge, Abfallentsorgung) bis März 2020 von der Sozialstation erhalten.

Bei seiner Pflegekasse beantragte A für den Zeitraum ab April 2020 Kostenerstattung für „Haushalt-Corona-Hilfe“ unter Vorlage von Quittungen. Diese waren durch verschiedene Privatpersonen unterzeichnet. Seine Pflegekasse lehnte dies ab, weil es sich bei den Privatpersonen um keine anerkannten Dienstleister handele. Nach erfolglosem Eilantrag beim Sozialgericht legte A Beschwerde vor dem Landessozialgericht ein. Diese wies das LSG zurück:

Die geltend gemachten haushaltsnahen Dienstleistungen seien nicht erstattungsfähig, weil es sich bei den Privatpersonen um keine anerkannten Dienstleister handele. Die Anerkennung von Einzelpersonen sei ausgeschlossen. Dies entspreche dem Zweck der gesetzlichen Regelungen, die gewünschten infrastrukturfördernden Effekte zu erzielen. Auf die Qualifikation der von A in Anspruch genommenen Einzelpersonen komme es daher nicht an. Nach § 150 Abs. 5 SGB XI könnten die Pflegekassen zwar nach ihrem Ermessen zur Vermeidung von – durch den Coronavirus im Einzelfall im häuslichen Bereich verursachten – pflegerischen Versorgungsengpässen Kostenerstattung gewähren. Dies gelte auch dann, wenn es sich um nicht durch Landesrecht anerkannte Dienstleister handele (z. B. Hilfe durch Verwandte, Bekannte, Nachbarn…). Im konkreten Fall sei aber ein durch das Corona-Virus verursachter pflegerischer Versorgungsengpass für den vorliegend geltend gemachten Hilfebedarf derzeit nicht ersichtlich. Zwar seien die erbrachten Hilfen in den Quittungen für April und Mai 2020 als „Haushalt-Corona-Hilfe“ bezeichnet worden. Hieraus ergäben sich aber keine Hinweise auf das tatsächliche Bestehen eines pflegerischen Versorgungsengpasses. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass und weshalb die Hilfeleistung nicht weiterhin durch die zuvor eingeschaltete Sozialstation habe erbracht werden können. Die Sozialstation habe A auch nicht mitgeteilt, dass sie die Hilfen aufgrund eines coronabedingten Versorgungsengpasses nicht länger erbringen könne (Beschluss vom 09.11.2020, Az. L 4 P 3250/20 ER-B).

Hinweis zur Rechtslage

Nach § 150 Abs. 5 SGB XI können die Pflegekassen nach ihrem Ermessen zur Vermeidung von durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 im Einzelfall im häuslichen Bereich verursachten pflegerischen Versorgungsengpässen Kostenerstattung in Höhe der ambulanten Sachleistungsbeträge (§ 36) nach vorheriger Antragstellung gewähren (…); dabei haben sie vorrangig Leistungserbringer zu berücksichtigen, die von Pflegefachkräften geleitet werden. Entsprechende Kostenerstattungszusagen sind jeweils auf bis zu drei Monate zu begrenzen.

§ 150 SGB XI wurde mit Wirkung vom 28. März 2020 neu eingefügt. Die zunächst bis 30. September 2020 befristete Regelung wurde bis zum 31. Dezember 2020 verlängert.

Quelle: LSG Baden-Württemberg