EU-Recht - 30. September 2022

Kartellrecht: Leitlinien zu Tarifverträgen für Selbstständige verabschiedet

EU-Kommission, Pressemitteilung vom 29.09.2022

Die Europäische Kommission hat ihre Leitlinien verabschiedet, wie das EU-Wettbewerbsrecht auf Tarifverträge über die Arbeitsbedingungen von Solo-Selbstständigen anzuwenden ist. Die Leitlinien legen dar, unter welchen Voraussetzungen bestimmte Selbstständige sich zu Tarifverhandlungen zusammenschließen können, ohne gegen EU-Wettbewerbsvorschriften zu verstoßen.

Margrethe Vestager, Exekutiv-Vizepräsidentin für ein Europa für das digitale Zeitalter und EU-Wettbewerbskommissarin, erklärte, Solo-Selbstständige seien möglicherweise nicht in der Lage, einzeln gute Arbeitsbedingungen auszuhandeln. „Ein gemeinsames Vorgehen bei Tarifverhandlungen eignet sich als Instrument, um diese Bedingungen zu verbessern. Die neuen Leitlinien sollen Solo-Selbstständigen Rechtssicherheit bieten, indem sie klarstellen, wann ihre Bemühungen, gemeinsam über bessere Konditionen zu verhandeln, wettbewerbsrechtlich unbedenklich sind.“

Die Leitlinien für Tarifverträge

Artikel 101 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) untersagt wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zwischen Unternehmen. Tarifverträge zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern unterliegen nicht den EU-Wettbewerbsvorschriften. Selbstständige gelten hingegen als „Unternehmen“ und könnten somit in Konflikt mit den Wettbewerbsvorschriften geraten, wenn sie gemeinsam über ihre Gebühren oder andere Geschäftsbedingungen verhandeln. Daher sind Selbständige oft unsicher, ob sie sich zu Tarifverhandlungen zusammenschließen dürfen.

Die Leitlinien gelten für Solo-Selbstständige, die vollständig auf sich gestellt arbeiten und keine Mitarbeiter beschäftigen.

In den Leitlinien wird dargelegt, unter welchen Umständen bestimmte Solo-Selbstständige im Verbund mit anderen Solo-Selbständigen Tarifverhandlungen führen können, um ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern, ohne gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften zu verstoßen. Die Leitlinien machen insbesondere deutlich:

  • Das Wettbewerbsrecht findet nicht auf Solo-Selbstständige Anwendung, die sich in einer vergleichbaren Situation wie Arbeitnehmer befinden. Dazu gehören Solo-Selbstständige, die a) ihre Dienstleistungen ausschließlich oder überwiegend für ein Unternehmen erbringen, b) Seite an Seite mit Arbeitnehmern arbeiten und c) ihre Dienstleistungen für oder über eine digitale Arbeitsplattform erbringen.
  • Die Kommission wird die EU-Wettbewerbsvorschriften nicht gegenüber Tarifverträgen durchsetzen, die von Solo-Selbstständigen in einer schwachen Verhandlungsposition ausgehandelt wurden. Eine schwache Position ist beispielsweise gegeben, wenn Solo-Selbstständige mit wirtschaftlich stärkeren Unternehmen verhandeln oder wenn sie nach nationalem oder EU-Recht Tarifverhandlungen führen.

Die Kommission wird im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes und von Gesprächen mit den europäischen Sozialpartnern beobachten, wie sich diese Leitlinien auf nationaler Ebene niederschlagen. Bis 2030 wird sie ihre Leitlinien überprüfen.

Die Leitlinien sind Teil eines Pakets zur Gewährleistung angemessener Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten. Dazu zählen ferner ein Richtlinienvorschlag und eine Mitteilung über die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit. Die Leitlinien gelten jedoch nicht nur für Solo-Selbstständige, die über digitale Arbeitsplattformen arbeiten, sondern in bestimmten Fällen auch für Solo-Selbstständige, die in traditionellen Branchen tätig sind.

Quelle: EU-Kommission