EU-Recht - 28. März 2023

Kartellrecht: Kommission kündigt Leitlinien zu Behinderungsmissbrauch an und ändert Erläuterungen zu Durchsetzungsprioritäten

EU-Kommission, Pressemitteilung vom 27.03.2023

Die Europäische Kommission bittet um Rückmeldungen zur Annahme von Leitlinien zum Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen. Alle interessierten Kreise können bis 24. April teilnehmen. Parallel dazu hat die Kommission eine Mitteilung zur Änderung ihrer 2008 angenommenen Erläuterungen zu den Durchsetzungsprioritäten in Fällen von Behinderungsmissbrauch veröffentlicht. Das Paket ist seit 2008 die erste wichtige politische Initiative im Bereich der Vorschriften über den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, „AEUV“). Es soll sicherstellen, dass diese Vorschriften klar und wirksam sind und entschlossen zum Nutzen der europäischen Verbraucher und der Wirtschaft insgesamt angewandt werden.

Margrethe Vestager, die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der EU-Kommission, sagte dazu: „Eine konsequente Durchsetzung der Vorschriften über den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung kommt den Verbrauchern und einer stärkeren europäischen Wirtschaft zugute. Wir haben zahlreiche Urteile der EU-Gerichte zur Anwendung des Artikels 102 sorgfältig analysiert. Nun ist es an der Zeit, mit der Arbeit an Leitlinien zu beginnen, die diese Rechtsprechung widerspiegeln. In der Zwischenzeit ändern wir die Erläuterungen zu den Durchsetzungsprioritäten aus dem Jahr 2008, um Transparenz in den Bereichen zu gewährleisten, in denen sich unsere Durchsetzungspraxis weiterentwickelt hat, um Entwicklungen auf den Märkten und in der Rechtsprechung zu berücksichtigen.“

Die Leitlinien zu Behinderungsmissbrauch

Artikel 102 AEUV ist einer der wenigen Bereiche des europäischen Wettbewerbsrechts, in denen nicht durch Leitlinien präzisiert wird, wie diese Vorschriften anzuwenden sind. Die Durchsetzung des Artikels ist jedoch von entscheidender Bedeutung dafür, dass auf Märkten wirksamer Wettbewerb herrscht und die Verbraucher von den Vorteilen wettbewerbsorientierter Märkte profitieren können. Die Kommission hat daher interessierte Kreise dazu aufgefordert, zur Annahme von Leitlinien zur Anwendung des Artikels 102 AEUV auf Fälle von Behinderungsmissbrauch Stellung zu nehmen.

Die Leitlinien sollen die Rechtsprechung der EU-Gerichte und die umfangreichen Erfahrungen widerspiegeln, die die Kommission bei der Durchsetzung des Artikels 102 AEUV gesammelt hat. Diese Initiative soll Verbrauchern und Unternehmen sowie nationalen Wettbewerbsbehörden und Gerichten mehr Rechtssicherheit bieten.

Allen interessierten Kreisen wird vier Wochen lang Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Kommission plant, bis Mitte 2024 einen Entwurf der Leitlinien zur öffentlichen Konsultation vorzulegen, damit die Leitlinien 2025 angenommen werden können. Nach deren Annahme wird die Kommission die 2008 angenommenen Erläuterungen zu den Durchsetzungsprioritäten, die durch die heutige Mitteilung geändert werden, aufheben.

Weitere Informationen, z. B. dazu, wie Stellungnahmen eingereicht werden können, sind hier abrufbar.

Die Mitteilung zur Änderung der Erläuterungen zu den Durchsetzungsprioritäten

Bis zur Annahme der endgültigen Fassung der Leitlinien präzisiert die Kommission ihren Ansatz für die Bestimmung der Fälle von Behinderungsmissbrauch, die vorrangig zu behandeln sind.

Die Kommission hat daher eine Mitteilung angenommen, mit der bestimmte Teile der Erläuterungen von 2008 geändert werden. In der neuen Mitteilung wird beispielsweise klargestellt, dass die Kommission auf Märkten, die durch Netzeffekte oder andere hohe Markteintrittsschranken gekennzeichnet sind, Verhaltensweisen eines marktbeherrschenden Unternehmens untersuchen kann, durch die Wettbewerber, die (noch) nicht so effizient sind wie das marktbeherrschende Unternehmen, vom Markt ausgeschlossen werden können. Darüber hinaus wird in der Mitteilung präzisiert, dass die Kommission Fälle untersuchen kann, in denen ein marktbeherrschendes Unternehmen den Zugang zu einem bestimmten Input an unfaire Bedingungen knüpft (sog. konstruktive Lieferverweigerung). Diese Möglichkeit besteht auch in Fällen, in denen es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der betreffende Input unerlässlich ist.

Die Änderungen tragen den wesentlichen Entwicklungen in der Rechtsprechung der EU-Gerichte zu Artikel 102 AEUV und dementsprechend in der Durchsetzungspraxis der Kommission, aber auch Marktentwicklungen Rechnung. So sollen im Einklang mit dem Grundsatz der guten Verwaltungspraxis die Grundsätze, auf denen die Durchsetzungsprioritäten der Kommission in Fällen von Behinderungsmissbrauch beruhen, transparenter gemacht werden.

Quelle: EU-Kommission