Zivilprozessordnung - 18. November 2024

Falsche Adresse: Fehler des Zustellers wird Gericht zugerechnet

BRAK, Mitteilung vom 18.11.2024 zum Urteil des BGH VII ZR 240/23 vom 10.10.2024

Hat der Kläger die falsche Adresse des Beklagten auf der Klageschrift angegeben und wirft der Zusteller die Klage deshalb bei einem unbeteiligten Dritten ein anstatt sie als unzustellbar an das Gericht zurückzusenden, wird die Verzögerung aufgrund des Verschuldens des Zustellers dem Gericht zugerechnet.

Dies hat der BGH entschieden und somit die Verjährung einer Klageforderung verneint. Die Zustellung sei immer noch „demnächst“ i. S. d. § 167 ZPO erfolgt (Urt. v. 10.10.2024, Az. VII ZR 240/23).

Kurz vor Ende der regelmäßigen Verjährungsfrist, am 29. November 2018, erhob eine auf Malerarbeiten spezialisierte Firma eine Klage in Höhe von fast 200.000 Euro bei einem ehemaligen Auftraggeber. Nachdem die Klägerin den Kostenvorschuss gezahlt hatte, sollte die Klage dem Beklagten zugestellt werden. Dabei hatte die Klägerin jedoch eine alte Adresse des Beklagten angegeben. Der Zusteller bemerkte diesen Fehler anscheinend nicht und warf den Brief trotzdem an der angegebenen, aber falschen, Adresse ein, anstatt ihn als unzustellbar an das Gericht zurückzugeben. Es dauerte daher eine Weile, bis der Fehler erkannt wurde. Letztlich konnte die Klage erst 20 Tage nach dem ersten Zustellversuch an die korrekte Adresse des Beklagten zugestellt werden.

Die Kläger machten zwar einen Fehler, doch der Zusteller einen weiteren

Nun stellte sich bereits in den Vorinstanzen die Frage, ob die Forderung nicht inzwischen verjährt war. Gemäß § 167 ZPO tritt die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur dann mit Eingang der Klage bei Gericht ein, wenn die Zustellung „demnächst“ erfolgt. Dabei geht die ständige Rechtsprechung von einer Grenze von 14 Tagen für Verzögerungen aus – hier aber erfolgte die Zustellung ganze 20 Tage später.

Das Kammergericht (KG) wies die Klage daher wegen Verjährung ab: Der Grund für diese Verzögerung liege allein darin, dass die Klägerin die falsche Adresse angegeben habe. Sie könne sich also nicht entlasten, die tatsächliche Zustellung sei zu spät für eine Hemmung erfolgt und die Forderung verjährt.

Das sah der BGH nun aber anders: Es gehe nur der Zeitraum für die Verzögerung auf das Konto des Klägers, der auf dessen Nachlässigkeit zurückzuführen sei. Wenn aber das Gericht Fehler gemacht habe, sei die darauf basierende Zeitspanne gerade nicht dem Kläger zuzurechnen. Hier habe der Zusteller einen Fehler gemacht, indem er die Klage in den Briefkasten eines Dritten eingelegt habe, anstatt sie an das Gericht zurückzusenden. Dabei handele es sich um eine Verzögerung im Geschäftsablauf des Gerichts, die gerade nicht dem Kläger zugerechnet werden könne. Infolge der falschen Adressangabe des Klägers sei die Zustellung daher nur um zwölf Tage verzögert worden und halte sich damit noch innerhalb des Rahmens von 14 Tagen, der noch als „demnächst“ gilt. Die Forderung war also nicht verjährt.

Nun muss das KG erneut über den Fall entscheiden.

Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer