EU-Recht - 5. Mai 2022

EuGH: Deckelung des Streitwerts für Abmahnkosten nicht unionsrechtswidrig

BRAK, Mitteilung vom 04.05.2022

Wer wegen einer Urheberrechtsverletzung abgemahnt wird, muss gegnerische Anwaltskosten maximal aus einem Streitwert von 1.000 Euro erstatten. Diese Regelung im Urhebergesetz ist mit Unionsrecht vereinbar, wie der EuGH nun entschied (Rs. C-559/20).

Zum Schutz vor missbräuchlichen Abmahnungen deckelt § 97a UrhG den Streitwert für Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen auf 1.000 Euro, sofern die abgemahnte Person Verbraucherin bzw. Verbraucher ist. Diese Deckelung verstößt nicht gegen EU-Recht, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem soeben veröffentlichten Urteil.

Der Entscheidung des EuGH lag ein Vorabentscheidungsersuchen des LG Saarbrücken zugrunde. Die Koch Media GmbH hatte einen Internetnutzer durch eine Kanzlei abmahnen lassen, weil er das Computerspiel „This War of Mine“ auf einer Filesharing-Plattform zum Download angeboten haben soll. Der Gegenstandswert für den Unterlassungsanspruch des Rechteinhabers bei einer Urheberrechtsverletzung in Bezug auf aktuelle Filme, Musik oder DVDs beträgt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung jedenfalls über 10.000 Euro. Der Koch Media GmbH entstanden Anwaltskosten in Höhe von knapp 1.000 Euro, basierend auf dem von der Kanzlei zugrunde gelegten Gegenstandswert von 20.000 Euro; diese Kosten machte sie gegenüber dem Abgemahnten geltend.

Das AG Saarbrücken verurteilte den Abgemahnten jedoch nur zur Zahlung von 124 Euro, basierend auf dem nach § 97a III 2 UrhG gedeckelten Streitwert von 1.000 Euro; im übrigen wies es die Klage ab.

Auf die Berufung der Koch Media GmbH legte das LG Saarbrücken dem EuGH die Frage vor, ob die Streitwertdeckelung u. a. mit Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vereinbar ist. Dieser sieht vor, dass die Prozesskosten und sonstigen Kosten der obsiegenden Partei in der Regel, soweit sie zumutbar und angemessen sind, von der unterlegenen Partei getragen werden, sofern Billigkeitsgründe dem nicht entgegenstehen.

Die Streitwertdeckelung auf 1.000 Euro nach § 97a UrhG gilt nur im Verhältnis zwischen Rechteinhaber und Abgemahntem. Im Verhältnis zum Rechteinhaber kann jedoch der Anwalt bzw. die Anwältin des Rechteinhabers zum höheren, nach der Rechtsprechung anzusetzenden Gegenstandswert (mind. 10.000 Euro) abrechnen. Das führt in der Praxis – wie auch im vorliegenden Fall – zu Divergenzen, die Rechteinhaber müssen ihre erheblich höheren Anwaltsgebühren aus dem tatsächlichen Streitwert selbst tragen, soweit sie die Kosten aus einem Streitwert von 1.000 Euro übersteigen.

Der EuGH entschied, dass Abmahnkosten „sonstige Kosten“ im Sinne von Art. 14 der Richtline sind und dass Art. 14 einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die vorsieht, dass die zu erstattenden „sonstigen Kosten“ pauschal auf der Basis eines gedeckelten Streitwerts berechnet werden. Voraussetzung sei jedoch, dass das nationale Gericht hiervon abweichen dürfe, sofern die Anwendung der Deckelung unter Berücksichtigung der spezifischen Merkmale des ihm vorgelegten Falles unbillig sei.

Der Gerichtshof setzt sich in seiner Entscheidung damit auseinander, dass Rechteinhaber jedenfalls einen erheblichen, angemessenen Teil ihrer Anwaltskosten erstattet bekommen müssen, damit Abmahnungen nicht ihre abschreckende Wirkung verlieren. Die Höhe der letztlich selbst zu tragenden Kosten dürfe Rechteinhaber nicht davon abhalten, ihre Rechte gerichtlich geltend zu machen. Art. 14 der Richtlinie sehe aber auch vor, dass eine Erstattung ausscheidet, wenn Billigkeitsgründe es verbieten, der unterliegenden Partei die (an sich der Höhe nach angemessenen) Kosten aufzuerlegen. Das nationale Gericht müsse prüfen können, ob ein Antrag auf Verurteilung zur Tragung der Kosten eines Vertreters für eine Abmahnung u.a. fair, gerecht und nicht missbräuchlich sei. § 97a III UrhG solle sicherstellen, dass die von der unterlegenen Partei zu tragenden Kosten zumutbar und angemessen seien; er ermögliche dem Gericht außerdem, in jedem Einzelfall dessen spezifische Merkmale zu berücksichtigen.

Quelle: BRAK, Nachrichten aus Berlin Ausgabe 9/2022