EU-Recht - 11. April 2023

EU-Parlament verabschiedet Lohntransparenz-Richtlinie

DATEV Informationsbüro Brüssel, Mitteilung vom 05.04.2023

Das EU-Parlament hat am 30.03.2023 den zuvor mit dem Rat erzielten Kompromiss zur Lohntransparenz-Richtlinie angenommen. Die formelle Annahme der Richtlinie durch den Rat steht noch aus. Nach Veröffentlichung des Rechtsaktes im EU-Amtsblatt haben die EU-Mitgliedstaaten drei Jahre Zeit, um die Bestimmungen in nationales Recht umzusetzen. Deutschland wird dann sein bestehendes Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) anpassen müssen.

Ziel der Richtlinie ist es, Lohndiskriminierung zu bekämpfen und das geschlechtsspezifische Lohngefälle zu verringern. Dazu sieht sie Mindestanforderungen zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit für Männer und Frauen vor. Die EU-Mitgliedstaaten können Vorschriften beibehalten oder einführen, die für die Arbeitnehmer günstiger sind als die Bestimmungen dieser Richtlinie.

Entgeltstrukturen sollen zukünftig so beschaffen sein, dass anhand objektiver und geschlechtsneutraler Kriterien beurteilt werden kann, ob Arbeitnehmer sich im Hinblick auf den Wert der Arbeit in einer vergleichbaren Situation befinden. Diese Kriterien umfassen: Kompetenzen, Belastungen, Verantwortung und Arbeitsbedingungen (und ggf. weitere Faktoren falls für die Stellung/Position relevant). Arbeitgeber müssen ihren Beschäftigten die Kriterien, die für die Festlegung des Entgelts, der -höhen und der -entwicklung herangezogen werden, leicht zugänglich zur Verfügung stellen. Kriterien für die Entgeltentwicklung können z. B. die individuelle Leistung, Kompetenzentwicklung, und/oder das Dienstalter sein. Die EU-Mitgliedstaaten können Arbeitgeber mit weniger als 50 Beschäftigten von der Verpflichtung im Hinblick auf die Entgeltentwicklung ausnehmen.

Im Gegensatz zum deutschen EntgTranspG sieht die Richtlinie ein Auskunftsrecht für Arbeitnehmer (und ihre Vertretungen) über ihr individuelles Einkommen und über das Durchschnittseinkommen unabhängig von der Unternehmensgröße vor (In Deutschland gilt der Auskunftsanspruch für Beschäftigte in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten.). Sie haben das Recht diese Informationen in schriftlicher Form aufgeschlüsselt nach Geschlecht und für die Gruppen von Arbeitnehmern, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten, zu verlangen. Arbeitgeber müssen auf das Auskunftsersuchen innerhalb von zwei Monaten antworten. Außerdem müssen sie ihre Arbeitnehmer jährlich über das Auskunftsrecht als auch über die Schritte, die dazu einzuleiten sind, informieren. Des Weiteren dürfen Beschäftigte nicht mehr vertraglich daran gehindert werden, ihr Einkommen offenzulegen, um den Grundsatz des gleichen Entgelts durchzusetzen.

Entgeltberichterstattung

Die verpflichtende Entgeltberichterstattung wird schrittweise und in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße eingeführt:

  • Arbeitgeber mit mehr als 250 Beschäftigen nehmen die Entgeltberichterstattung bis – ein Jahr nach Inkrafttreten der Richtlinie – und danach jährlich vor.
  • Arbeitgeber mit 150 – 249 Beschäftigten nehmen die Entgeltberichterstattung bis – ein Jahr nach Inkrafttreten der Richtlinie – und dann alle drei Jahre für das vorangehende Kalenderjahr vor.
  • Arbeitgeber mit 100 – 149 Beschäftigten nehmen die Entgeltberichterstattung bis – fünf Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie – und danach alle drei Jahre für das vorangehende Kalenderjahr vor.
  • freiwillige Berichterstattung für Arbeitgeber mit weniger als 100 Arbeitnehmern, aber die EU-Mitgliedstaaten können sie nach nationalem Recht zur Berichterstattung verpflichten. (Mit Hilfe eines Entgelttransparenzsiegels können die EU-Mitgliedstaaten Anreize setzen, damit Arbeitgeber freiwillig über das Entgelt berichten).

Die EU-Mitgliedstaaten sollen KMU unterstützen, z. B. in Form von technischer Hilfe oder Schulungen.

Arbeitgeber müssen im Entgeltbericht folgende Informationen offenlegen:

  • das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle
  • das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle bei ergänzenden oder variablen Bestandteilen;
  • das mittlere geschlechtsspezifische Entgeltgefälle;
  • das mittlere geschlechtsspezifische Entgeltgefälle bei ergänzenden oder variablen Bestandteilen
  • der Anteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ergänzende oder variable Bestandteile erhalten;
  • der Anteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in jedem Entgeltquartil;
  • das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle zwischen Arbeitnehmern bei Gruppen von Arbeitnehmern, nach dem normalen Grundlohn oder -gehalt sowie nach ergänzenden oder variablen Bestandteilen aufgeschlüsselt.

Die Informationen sollen auf transparente Weise den zuständigen Überwachungsbehörden der EU-Mitgliedstaaten offengelegt werden. Arbeitgeber können die Berichte auch auf ihrer Webseite oder im Lagebericht (falls sie der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung unterliegen) veröffentlichen. Um die Belastungen für Arbeitgeber zu verringern, können die EU-Mitgliedstaaten entscheiden, die erforderlichen Daten über ihre nationalen Verwaltungen (z.B. Steuer- oder Sozialversicherungsbehörden) zu erheben und zu verknüpfen, damit das Entgeltgefälle je Arbeitgeber berechnet werden kann.

Gemeinsame Entgeltbewertung

Eine gemeinsame Entgeltbewertung in Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretern ist durchzuführen, wenn alle der folgenden Bedingungen erfüllt sind:

  • Entgeltberichte einen Unterschied in der Höhe des Durchschnittslohns von mindestens 5% aufweisen,
  • Arbeitgeber diesen Unterschied nicht mit objektiven und geschlechtsneutralen Kriterien begründen können.
  • Der Arbeitgeber hat die ungerechtfertigten Unterschiede nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Entgeltberichterstattung korrigiert.

Arbeitgeber stellen die gemeinsame Entgeltbewertung den Arbeitnehmern, den Arbeitnehmervertretern und den zuständigen Behörden (und auf Anfrage der Gleichbehandlungsstelle und der Arbeitsinspektion) zur Verfügung. In Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretern ergreift der Arbeitgeber – gemäß nationalem Recht und in einem angemessenen Zeitraum – Maßnahmen, um ungerechtfertigte Entgeltunterschiede zu beseitigen.

Entgelttransparenz vor der Beschäftigung

Die Richtlinie gilt zum Zweck der Lohntransparenz vor der Beschäftigung auch für Stellenbewerber. Sie haben das Recht, vom zukünftigen Arbeitgeber Informationen über das auf objektiven und geschlechtsneutralen Kriterien beruhende Einstiegsgehalt oder die Lohnspanne zu erhalten. Zudem ist es Arbeitgebern untersagt, Stellenbewerber über ihre Lohnentwicklung in der aktuellen Position bzw. vorherigen Positionen zu befragen. Stellenausschreibungen und Berufsbezeichnungen müssen geschlechtsneutral sein und Einstellungsverfahren auf nichtdiskriminierende Weise geführt werden.

Besser Zugang zur Justiz und Sanktionen

Opfer von Entgeltdiskriminierung sollen eine Entschädigung erhalten. So soll der Schadenersatz/Entschädigung die vollständige Nachzahlung entgangener Entgelte und damit verbundener Boni und Sachleistungen als auch Verzugszinsen umfassen.

Die Richtlinie sieht eine Beweislastumkehr vor, so dass der Arbeitgeber nachweisen muss, dass keine unmittelbare oder mittelbare Entgeltdiskriminierung vorliegt. Die EU-Mitgliedstaaten können eine günstigere Beweislastregelung für Arbeitnehmer vorsehen, die ein Gerichtsverfahren zur Durchsetzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts anstreben. Die EU-Mitgliedstaaten sollten keine vorab festgelegte Obergrenze für einen solchen Schadensersatz einführen. Des Weiteren sieht die Richtlinie Mindeststandards bezüglich der Verjährungsfristen vor. So sollen die EU-Mitgliedstaaten sicherstellen, dass in den Vorschriften u.a. der Beginn, die Dauer und unter welchen Umständen z.B. eine Unterbrechung der Frist eintritt, festgelegt werden. Die Verjährungsfristen sollen mind. drei Jahre betragen.

Bei Verstößen gegen die Bestimmungen der Richtlinie sind von den EU-Mitgliedstaaten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Strafen einführen. Dazu zählen auch Geldbußen, die auf dem Bruttojahresumsatz oder der Gesamtentgeltsumme des Arbeitgebers beruhen könnten und sich nach nationalem Recht richten sollen. Bei wiederholten Verletzungen der Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem Grundsatz des gleichen Entgelts sollen die EU-Mitgliedstaaten spezifische Sanktionen festlegen.

Zur Überwachung und Unterstützung der Anwendung der Vorschriften benennen die EU-Mitgliedstaaten eine nationale Stelle, die Teil einer bestehenden Stelle auf nationaler Ebene sein kann. Zu ihren Aufgaben soll u. a. die Sammlung der Daten zur Entgeltberichterstattung (inkl. deren unverzüglichen Veröffentlichung in leicht zugänglicher Weise) als auch der Berichte über die gemeinsame Entgeltbewertung gehören.

Quelle: DATEV eG Informationsbüro Brüssel