EU-Recht - 26. Januar 2023

EU-Kommission stellt konkrete Maßnahmen für eine stärkere Einbeziehung der Sozialpartner auf Ebene der Mitgliedstaaten und der EU vor

EU-Kommission, Pressemitteilung vom 25.01.2023

Die EU-Kommission präsentierte am 25.01.2023 eine Initiative zur weiteren Stärkung und Förderung des sozialen Dialogs mit konkreten Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten und der EU. Darin zeigt sich unser starkes Engagement für den sozialen Dialog als Eckpfeiler der sozialen Marktwirtschaft und der Wettbewerbsfähigkeit der EU. Die Initiative zielt darauf ab, vor dem Hintergrund des Übergangs zu einer digitalen und klimaneutralen Wirtschaft und der Entstehung neuer Beschäftigungsformen die Anpassung des sozialen Dialogs an die sich wandelnde Arbeitswelt und neue Trends auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Die Verhandlungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen (also den Sozialpartnern) im Rahmen von sozialem Dialog und Tarifverhandlungen tragen zu besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen bei, z. B. in Bezug auf Bezahlung, Arbeitszeit, Jahresurlaub, Elternurlaub, Weiterbildung sowie Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen. Auch bei der Anpassung an die sich wandelnden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sowie bei der Erzielung von Produktivitätszuwächsen, die für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen erforderlich sind, spielt dieser Austausch eine entscheidende Rolle. All dies trägt dazu bei, soziale Gerechtigkeit und Demokratie am Arbeitsplatz zu gewährleisten und den Wohlstand und die Resilienz Europas zu stärken.

Auch in Krisen- oder Umbruchphasen spielen die Sozialpartner eine entscheidende Rolle. So haben sie beispielsweise während der COVID-19-Pandemie dazu beigetragen, rasch Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen am Arbeitsplatz zu organisieren und Kurzarbeitsregelungen einzuführen. Die Sozialpartner beteiligen sich zudem an der Suche nach ausgewogenen Lösungen für die Anpassung des Arbeitsmarkts an das digitale Zeitalter. Auch bei der effizienten Organisation der industriellen Produktion und der Ausstattung der Arbeitskräfte mit ökologischen und digitalen Kompetenzen spielt die enge Zusammenarbeit zwischen der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite eine wichtige Rolle.

Umfang und Qualität der Einbeziehung der Sozialpartner sind von Land zu Land jedoch sehr unterschiedlich. Gleichzeitig gehen die Mitgliederzahlen der Gewerkschaften und der Anteil der Beschäftigten mit tarifvertraglicher Abdeckung auf nationaler Ebene zurück (von EU-weit durchschnittlich rund 66 % im Jahr 2000 auf etwa 56 % im Jahr 2019). Neuere Beschäftigungsformen wie Plattformarbeit und bestimmte Gruppen, wie z. B. junge Menschen, sind ebenfalls tendenziell weniger stark vertreten und in einigen Branchen, wie im Pflegesektor, werden quasi gar keine Tarifverhandlungen geführt.

Vor diesem Hintergrund schlägt die Kommission eine Empfehlung des Rates vor, in der dargelegt wird, wie die EU-Mitgliedstaaten den sozialen Dialog und die Tarifverhandlungen auf nationaler Ebene weiter stärken können. Außerdem legt die Kommission eine Mitteilung zur Stärkung und Förderung des sozialen Dialogs auf EU-Ebene vor. Die Sozialpartner wurden eng in die Ausarbeitung dieser Initiativen einbezogen.

Voraussetzungen schaffen für einen erfolgreichen sozialen Dialog auf nationaler Ebene

Im Vorschlag der Kommission für eine Empfehlung des Rates wird den Mitgliedstaaten empfohlen,

  • die Konsultation der Sozialpartner bei der Konzeption und Umsetzung der Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik gemäß den nationalen Verfahren zu gewährleisten,
  • die Sozialpartner zu ermuntern, neue sowie atypische Beschäftigungsformen zu berücksichtigen und umfassend über die Vorteile des sozialen Dialogs und über bestehende Tarifverträge zu informieren,
  • die Kapazitäten der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen zu stärken, z. B. durch Gewährleistung des Zugangs zu relevanten Informationen und durch Unterstützung durch die nationalen Regierungen.

Die vorgeschlagene Empfehlung des Rates achtet in vollem Umfang die nationalen Traditionen und die Autonomie der Sozialpartner. Sie erlaubt es den Mitgliedstaaten, unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen (eigenen) Situation zu entscheiden, wie diese Ziele am besten erreicht werden können.

Förderung der Einbeziehung der Sozialpartner auf EU-Ebene

Um die Rolle der Sozialpartner bei der Politikgestaltung der EU weiter zu stärken und den sektoralen sozialen Dialog auf EU-Ebene zu intensivieren, schlägt die Kommission eine Reihe von Maßnahmen mit folgenden Zielen vor:

  • Stärkung des europäischen sektoralen sozialen Dialogs durch Modernisierung des entsprechenden Rahmens in enger Zusammenarbeit mit den EU-Sozialpartnern durch eine mögliche Überarbeitung der geltenden Vorschriften
  • Weitere Förderung von Vereinbarungen der Sozialpartner, insbesondere durch administrative Unterstützung und Beratung in Rechtsfragen
  • Stärkung der Einbeziehung der Sozialpartner in die Politikgestaltung der EU, z. B. durch Einholung der Standpunkte der europäischen branchenübergreifenden Sozialpartner zu den politischen Prioritäten der EU im Vorfeld des Arbeitsprogramms der Kommission
  • Effizientere Gestaltung der technischen und finanziellen Unterstützung der Sozialpartner durch die EU; so wird die Kommission beispielsweise in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern ein Forschungsnetzwerk zur Überwachung und Förderung des sozialen Dialogs in der EU einrichten.

Ergänzend dazu ruft die Kommission die Sozialpartner auf, mehr sozialpartnerschaftliche Vereinbarungen auszuhandeln und abzuschließen und die Mitgliederzahlen und die Repräsentativität sowohl der Gewerkschaften als auch der Arbeitgeberverbände zu verbessern.

Die Kommission wird weiterhin den sozialen Dialog auf internationaler Ebene fördern, und zwar durch regelmäßige Kooperation mit der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und anderen Akteuren. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auf, die IAO-Übereinkommen auch in Zukunft zu ratifizieren und wirksam umzusetzen.

Nächste Schritte

Die Kommission wird die in der Mitteilung aufgeführten und vorgeschlagenen Maßnahmen auf EU-Ebene in enger Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern weiterverfolgen.

Die Mitgliedstaaten werden den Vorschlag der Kommission für eine Empfehlung des Rates im Hinblick auf seine Annahme durch den Rat erörtern. Nach der Annahme des Vorschlags sind die Mitgliedstaaten aufgerufen, der Kommission eine Reihe von mit den Sozialpartnern abgestimmten Maßnahmen zur Umsetzung der Empfehlung vorzulegen. Die Umsetzung der Maßnahmen wird im Rahmen des Europäischen Semesters überwacht.

Quelle: EU-Kommission