DATEV Strategische Umfeldbeobachtung, Mitteilung vom 27.11.2024
Die neue EU-Kommission 2024-29 steht fest. Sie wurde nach den Anhörungen der einzelnen designierten Kommissare in ihrer Gesamtheit am 27.11.2024 vom EU-Parlament bestätigt. Während ihrer Rede vor dem EU-Parlament, kündigte Kommissionspräsidentin von der Leyen an, dass die erste größere Initiative der neuen Kommission ein „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit” sein wird. Dieser wird den Rahmen für die Arbeit während des gesamten Mandats bilden und basiert auf den drei Hauptsäulen des Draghi-Berichts (Innovation, Dekarbonisierung und Sicherheit). Die neue EU-Kommission wird im Dezember 2024 ihre Arbeit aufnehmen.
Während der Bestätigungsanhörungen hatten die designierten EU-Kommissionsmitglieder ihre politische Agenda und Prioritäten präsentiert. Valdis Dombrovskis (Lettland) soll als Kommissar für „Umsetzung und Vereinfachung“ das regulatorische Umfeld der EU effizienter gestalten. Wopke Hoekstra (Niederlande) übernimmt in seiner zweiten Amtszeit als EU-Klimakommissar zusätzlich den Bereich Steuern. Maria Albuquerque (Portugal) konzentriert sich als Kommissarin auf Finanzdienstleistungen und die Spar- und Investitionsunion. Stéphane Séjourné (Frankreich) wird den Bereich Wohlstand und Industriepolitik leiten. Henna Virkkunen (Finnland) wird als Exekutiv-Vizepräsidentin für technologische Souveränität, Sicherheit und Demokratie eine wichtige Rolle in der Digitalpolitik spielen. Michael McGrath (Irland) übernimmt als Justizkommissar Aufgaben in der digitalen und rechtlichen Regulierung der EU. Zentrale Botschaft: Die kommende Legislaturperiode soll durch Vereinfachung die Wettbewerbsfähigkeit Europas stärken. Der Abbau bürokratischer Hürden und die Schaffung eines innovationsfreundlichen Umfelds stehen dabei im Mittelpunkt.
Im Vergleich zu den öffentlichen Mandatsschreiben (Mission Letters) der Kommissionspräsidentin von der Leyen an die designierten Kommissare haben die Anhörungen keine Überraschungen beinhaltet. Für die neue Legislatur werden aus Sicht des Berufsstandes v. a. folgende Aktivitäten der EU-Kommission von Bedeutung sein:
Bürokratieabbau und Vereinfachung
Bürokratiehürden sollen um 25 % und für KMUs um 35 % gesenkt werden, und das unter Wahrung hoher Standards (Vereinfachung ≠ Deregulierung).
- Alle Vereinfachungsmaßnahmen geschehen sektoral. Bereits in den ersten 100 Tagen des Mandats soll das Arbeitsprogramm Vereinfachungsvorschläge enthalten.
- Neue Maßnahmen zur Vereinfachung umfassen sektorale Stresstests, neue Umsetzungsdialoge, „Reality Checks“, KMU- und Wettbewerbsfähigkeitstests sowie eine neue Kategorie „kleine Mid-Caps“-Unternehmen zur besseren Handhabung von Schwellenwerten.
- Weitere Ansatzpunkte sieht der zuständige Kommissar Dombrovskis bei der fragmentierten Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), den Berichtsanforderungen des EU-Lieferkettengesetzes (CSDDD) sowie der potenziellen Nutzung von Proxy-Daten für vereinfachte freiwillige Berichtsstandards für KMUs. Ziel sei es zudem, formularbasierte Berichterstattung durch standardisierte, datengestützte Berichterstattung zu ersetzen und den Einsatz automatisierter, interoperabler Instrumente zu ermöglichen.
Steuerpolitik
Auch im Bereich Steuern steht die Überprüfung der gesamten EU-Regulierung bis 2026 im Fokus.
- Die FASTER-Richtlinie zur schnelleren und sicheren Entlastung von Quellensteuern, die BEFIT-Initiative für die Unternehmensbesteuerung in Europa und der HOT-Vorschlag über ein hauptsitzbasiertes Steuersystem für KMU sowie – zur Bekämpfung von Steuervermeidung und aggressiver Steuerplanung – die UNSHELL-Richtlinie sollen verabschiedet werden. Von einer Vorlage, der schon in der letzten Legislatur kontrovers diskutieren Überlegungen, einer SAFE-Richtlinie zur Bekämpfung der Vermittler aggressiver Steuerplanung und Steuerhinterziehung ist – begrüßenswerterweise – nicht auszugehen.
- Es wird eine Ökologisierung von Steuermechanismen befürwortet. Auch die Überarbeitung der Energiesteuerrichtlinie ist geplant.
- Die OECD-Steuerreform und die globale Mindeststeuer sollen umgesetzt werden.
Finanzpolitik, Wirtschaftspolitik und Binnenmarkt
Unter dem Konzept der „Spar- und Investitionsunion“ steht neben der Bankenunion und dem regulatorischen Rahmen für nachhaltige Finanzierungen die Stärkung der Kapitalmarktunion im Fokus.
- Die Ziele sind private Investitionen für den grünen und digitalen Wandel zu mobilisieren und Investitionshindernisse abzubauen. KMUs sollen besseren Zugang zu Kapitalmärkten bekommen. Eine Harmonisierung der Finanzmarktregeln ist geplant.
- Die Durchsetzung der Taxonomie-Verordnung und der Richtlinie zur unternehmerischen Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) ist vorgesehen.
Die Vereinfachungsmaßnahmen, die als entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der EU verstanden werden, erstrecken sich auch auf den Bereich des Binnenmarktes.
- Eine neue Binnenmarktstrategie soll bis Juni 2025 entwickelt werden. Ebenfalls ist die Vereinfachung der Qualifikationsanerkennung reglementierter Berufsgruppen durch Digitalisierung und Automatisierung der Verfahren vorgesehen.
- Ein einheitlicher Unternehmensrechtsstatus (sog. 28. Regime) soll grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit erleichtern und den Abbau regulatorischer Hürden für Start-ups und KMU erlauben.
- Für KMUs sind vor allem die Umsetzung des KMU-Entlastungspakets und die Einführung eines KMU-Passes zur Reduzierung des Verwaltungsaufwands relevant.
Datenschutz, Verbraucherschutz und Digitalisierung
- Der Fokus liegt auf der kohärenten Durch- bzw. Umsetzung folgender Rechtsakte: NIS2-Richtlinie zur Netzwerk- und Informationssicherheit und das EU-Gesetz über Cyberresilienz (CRA), das Gesetz über digitale Dienste (DSA) und das Gesetz über den digitalen Markt (DMA), DSGVO sowie die Produktsicherheitsverordnung.
- Das Gesetz für digitale Fairness soll weiterverfolgt werden.
- Es ist ein EU Cloud- und KI-Development Gesetz angekündigt.
- Ehrgeizige Zielsetzungen: Es soll ein dynamisches Ökosystem von KI-Trainingsmodellen gefördert und Anreize für Investitionen in Computerinfrastruktur und Datenspeicherung in Europa geschaffen werden, die allen Start-ups, KMU und anderen industriellen Akteuren zur Verfügung stehen sollten.
- Energieeffiziente Rechenarchitekturen und Technologien für die Cloud und Rechenzentren.
- Einsatz von kollaborative KI-Trainingsmodelle fördern.
- Investitionen in innovative Einrichtungen: Umfangreiche Investitionen in neuartige Cloud- und KI-Einrichtungen, wie z. B. die Telco-Edge-Cloud und nachhaltige Cloud-Computing-Formen, sollen Vorrang haben.
- Die Schaffung einer „Europäischen Datenunion“, die den grenzüberschreitenden Datenaustausch erleichtert und den rechtlichen Rahmen für Cloud-Dienste harmonisiert, wurde angekündigt.
Quelle: DATEV eG Strategische Umfeldbeobachtung