EU-Recht - 20. Oktober 2021

EU-Kommission nimmt Diskussion über den EU-Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung wieder auf

EU-Kommission, Pressemitteilung vom 19.10.2021

Die Europäische Kommission möchte die Debatte über die veränderten Rahmenbedingungen für die wirtschaftspolitische Steuerung nach der COVID-19-Krise wieder aufnehmen. Wie von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union angekündigt, hat die Kommission am 19.10.2021 eine Mitteilung verabschiedet, auf deren Basis ein Konsens über die Zukunft des EU-Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung erreicht werden soll. Zuvor hatte die Kommission die erstmals im Februar 2020 eingeleitete öffentliche Debatte ausgesetzt, da das Hauptaugenmerk auf die Reaktion auf die Auswirkungen infolge der COVID-19-Pandemie gerichtet werden musste. Valdis Dombrovskis, Exekutiv-Vizepräsident für eine Wirtschaft im Dienste der Menschen, erklärte: „Nach den durch die Pandemie ausgelösten Turbulenzen ist Europa nun auf dem Weg in ruhigeres Fahrwasser. Dank unserer koordinierten und entschlossenen Reaktion hat Europa die Wachstumserwartungen nun übertroffen.“ Durch die Krise seien jedoch auch einige Herausforderungen – höhere Defizite und Schulden, größere Divergenzen und Ungleichheiten und ein gestiegener Investitionsbedarf – deutlicher zutage getreten. „Wir brauchen Vorschriften für die wirtschaftspolitische Steuerung, mit denen diese Herausforderungen entschlossen angegangen werden können. Daher leiten wir heute eine öffentliche Debatte ein.“

Dombrovskis sagte weiter: „Wir wollen Ansichten und Ideen hören, einen Konsens schaffen und die Eigenverantwortung für eine wirksame wirtschaftspolitische Überwachung stärken. Auf diese Weise können wir unsere Gesellschaften und Volkswirtschaften nachhaltiger, gerechter und wettbewerbsfähiger machen, sodass sie umfassend auf künftige Herausforderungen vorbereitet sind.“

Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni ergänzte: „Nach dem beispiellosen Schock des vergangenen Jahres verzeichnet die europäische Wirtschaft nun eine kräftige Erholung. Jetzt müssen wir sicherstellen, dass unser Wachstum in der Zukunft anhält und nachhaltig ist. Wir setzen die Überprüfung unseres Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung vor dem Hintergrund des – angesichts der mit jedem Jahr drängenderen Klimakrise – enormen Investitionsbedarfs wieder in Gang. Gleichzeitig haben sich infolge der umfassenden finanziellen Unterstützung während der Pandemie die Schuldenstände erhöht. Angesichts dieser Herausforderungen ist es umso wichtiger, dass wir über einen transparenten und wirksamen haushaltspolitischen Rahmen verfügen. Dies zu erreichen liegt in unserer gemeinsamen Verantwortung und ist von entscheidender Bedeutung für die Zukunft unserer Union.“

Die neu belebte Debatte wird sich sowohl auf die im Februar 2020 vorgelegten Erkenntnisse der Kommission hinsichtlich der Wirksamkeit des Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung als auch auf die in der heutigen Mitteilung erläuterten Lehren aus der COVID-19-Krise stützen. Die Kommission fordert alle wesentlichen Stakeholder auf, sich an dieser öffentlichen Debatte zu beteiligen, um einen Konsens über die Zukunft des Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung zu erzielen. Es ist unabdingbar, über einen Rahmen zu verfügen, mit dem die Mitgliedstaaten uneingeschränkt dabei unterstützt werden können, die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zu bewältigen und mit dem auf die dringendsten Herausforderungen der EU reagiert werden kann.

Die Kommission wird alle in dieser öffentlichen Debatte geäußerten Ansichten abwägen. Im ersten Quartal 2022 wird die Kommission Leitlinien für die Haushaltspolitik im anstehenden Zeitraum ausgeben, um die haushaltspolitische Koordinierung und die Ausarbeitung der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme der Mitgliedstaaten zu erleichtern. Diese Leitlinien werden der weltwirtschaftlichen Lage, der spezifischen Situation der einzelnen Mitgliedstaaten und der Debatte über den Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung Rechnung tragen. Rechtzeitig für 2023 wird die Kommission dann Leitlinien für mögliche Änderungen am Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung vorlegen, mit dem Ziel, zu einem breiten Konsens über das weitere Vorgehen zu gelangen.

Neuer Kontext nach der COVID-19-Pandemie

Seit seiner Einführung hat der EU-Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung den Mitgliedstaaten den Weg zur Erreichung ihrer wirtschafts- und haushaltspolitischen Ziele, zur Koordinierung ihrer Wirtschaftspolitik, zur Bewältigung makroökonomischer Ungleichgewichte und zur Gewährleistung solider öffentlicher Finanzen gewiesen. Der Rahmen hat sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt, und es wurden Änderungen wie das Sechser- und das Zweierpaket eingeführt, um auf neue wirtschaftliche Herausforderungen zu reagieren.

Trotz dieser Entwicklungen gab es weiterhin einige Schwachstellen, die mithilfe des haushaltspolitischen Rahmens nicht wirksam angegangen worden sind. Zugleich ist der Rahmen immer komplexer geworden. Hinzu kommt, dass sich der wirtschaftliche Kontext seit der Einführung der Vorschriften erheblich verändert hat.

Diese und andere Entwicklungen waren bereits im Februar 2020 erkennbar, als die Kommission ihre Mitteilung über die Überprüfung der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU vorlegte. Die wichtigsten in der Überprüfung dargelegten Schlussfolgerungen sind nach wie vor gültig und relevant. Indes wurde durch die schwerwiegen Auswirkungen der COVID-19-Krise noch deutlicher, welche Herausforderungen für den Rahmen bestehen, und die Herausforderungen sind noch dringlicher geworden.

Neue Herausforderungen und Erkenntnisse

Bei der öffentlichen Debatte über die Überprüfung des Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung müssen die in der Mitteilung von 2020 ermittelten Aspekte berücksichtigt und behandelt werden. So soll auch diskutiert werden, wie wir tragfähige öffentliche Finanzen gewährleisten, makroökonomische Ungleichgewichte verhindern und korrigieren, bestehende Vorschriften vereinfachen und deren Transparenz sowie die Eigenverantwortung und Durchsetzung verbessern können.

Darüber hinaus sollte bei der Überprüfung des EU-Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung den neuen Herausforderungen Rechnung getragen werden, die durch die COVID-19-Krise zutage getreten sind. Auch könnten nützliche Erkenntnisse aus der erfolgreichen politischen Reaktion der EU auf den COVID-19-Ausbruch gezogen werden, insbesondere mit Blick auf die Governance der Aufbau- und Resilienzfazilität.

Eine inklusive und offene Debatte

Um einen breiten Konsens über das weitere Vorgehen hinsichtlich des EU-Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung zu erzielen, bedarf es einer umfassenden und inklusiven Zusammenarbeit mit allen Stakeholdern. Die Kommission fordert die Stakeholder daher auf, sich an der Debatte zu beteiligen und sich zur bisherigen Funktionsweise des Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung sowie zu möglichen Lösungen zu äußern, die die Wirksamkeit des Rahmens erhöhen könnten. Zu diesen Stakeholdern gehören die anderen europäischen Organe, nationale Behörden, Sozialpartner und die Wissenschaft.

Die Debatte wird in verschiedenen Foren geführt, darunter Fachtagungen, Workshops und die heute neu eingeleitete Online-Umfrage. Bürgerinnen und Bürger, Organisationen und Behörden sind eingeladen, ihre Beiträge bis zum 31. Dezember 2021 einzureichen.

Quelle: EU-Kommission