LG Köln, Mitteilung vom 28.02.2023 zum Urteil 30 O 270/22 vom 09.02.2023 (nrkr)
Der Beginn eines Familienurlaubs schien durch eine lediglich einen Tag vor geplantem Abflug erfolgte Flugannullierung gefährdet.
Das Landgericht Köln entschied nun, dass der Familie eine Entschädigung für die annullierten Flüge und Ersatz für die kurzfristig gebuchten Ersatzflüge zusteht.
Der Kläger buchte für sich, seine Ehefrau und die gemeinsamen zwei Kinder bei der Beklagten, einer bekannten deutschen Fluggesellschaft, für den 27.07.2022 einen Flug in der Economy Class von Frankfurt/Main nach Los Angeles. Einen Tag vor der geplanten Abreise wurde der Flug durch die Beklagte – ohne eine Ersatzbeförderung anzubieten – annulliert. Für den 27.07.2022 waren kurzfristig Streiks u. a. des Bodenpersonals am Flughafen in Frankfurt/Main angekündigt worden. Auf eine per Chat bei der Beklagten gestellte Anfrage nach Flugalternativen für den 27.07.2022 wurde erklärt, es seien zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Alternativen zu dem Flug verfügbar, es solle eine andere Option gewählt werden oder ein späterer Versuch unternommen werden. Der Kläger musste sich daraufhin selbst um einen Ersatzflug bemühen. Für ihn und seine Familie konnte schließlich eine Flugverbindung mit einer anderen Fluggesellschaft von Frankfurt/Main über Toronto nach Los Angeles in der Business Class zum Preis von umgerechnet 20.845,62 Euro gebucht werden. Eine vorgerichtliche anwaltliche Aufforderung der Beklagten zur Erstattung dieser Kosten blieb erfolglos.
Der Kläger begehrte daher gerichtlich für sich und seine Familie Ersatz der Kosten des Ersatzflugs sowie Ausgleichzahlungen in Höhe von insgesamt weiteren 2.400,00 Euro. Das Landgericht Köln ist diesem Antrag nun gefolgt.
Das Gericht führt aus, dass der Kläger von der Beklagten gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. c) Verordnung (EG) Nr. 261/2004 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 lit. c) Verordnung (EG) Nr. 261/2004 die begehrte Ausgleichszahlung verlangen könne. Die Voraussetzungen lägen vor, da die Beklagte als ausführendes Luftfahrtunternehmen im Rahmen eines Vertrages mit dem Kläger und dessen Angehörigen einen gebuchten Flug nicht durchgeführt und ihn damit i.S.v. Art. 2 lit. 1) Verordnung (EG) Nr. 261/2004 annulliert habe. Der Kläger sei berechtigt, wegen dieser Annullierung Ausgleichsansprüche für sich und seine Familie, letzteres aus abgetretenem Recht, geltend zu machen, denn sie seien Fluggäste, die auf einem Flughafen im Gebiet der Europäischen Union diesen Flug hätten antreten wollen und über eine bestätigte Flugbuchung verfügt hätten. Die Unterrichtung des Klägers sei am Vortag des vorgesehenen Fluges und damit in einem Zeitraum von weniger als 2 Wochen vor der gebuchten Abfahrtszeit, ohne dass seitens der Beklagten eine anderweitige Beförderung angeboten worden ist, erfolgt. Der Höhe nach belaufe sich der danach bestehende Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 auf 600,00 Euro pro Fluggast, da die Entfernung von Frankfurt/Main nach Los Angeles Luftlinie mehr als 3.500 km betrage.
Des Weiteren könne der Kläger gemäß § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 S. 1 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Schadensersatz in Höhe von weiteren 20.845,62 Euro verlangen. Die Beklagte habe mit der Annullierung ihre Pflicht aus dem Vertragsverhältnis zur Beförderung des Klägers und seiner Angehörigen verletzt, indem sie den Flug annulliert habe, ohne dem Kläger und seinen Angehörigen ein Angebot für eine anderweitige Beförderung nach Art. 8 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 anzubieten. Diese Pflichtverletzung sei auch schuldhaft, denn die insoweit darlegungsbelastete Beklagte trage diesbezüglich nichts zu ihrer Entlastung vor. Einer Fristsetzung zur Nacherfüllung habe es nicht bedurft, da die Erklärung der Beklagten, zum damaligen Zeitpunkt seien keine Alternativen zu dem gebuchten Flug verfügbar, verbunden mit der Bitte, eine andere Option zu wählen oder es später· noch einmal zu versuchen, als Erfüllungsverweigerung i. S. v. § 281 Abs. 2 BGB zu sehen sei.
Ein anspruchsminderndes Mitverschulden des Klägers oder seiner Angehörigen i. S. v. § 254 BGB sei für das Gericht nicht erkennbar. Dem stehe nicht entgegen, dass der gebuchte Ersatzflug in der Business Class und damit höherwertig erfolgt sei, als der bei der Beklagten gebuchte Flug in der Economy Class. Der Kläger habe dargetan, dass für ihn und seine Angehörigen nur die gebuchte Flugverbindung bei der anderen Fluggesellschaft verfügbar gewesen sei und dort auch nur noch ein einziger Platz in der Economy Class zur Verfügung gestanden habe, während für 4 Personen nur noch Plätze in der Business Class vorhanden gewesen seien. Die Aufteilung der Familie des Klägers dahingehend, dass ein Familienmitglied in der Economy Class, die anderen drei Personen in der Business-Class transportiert würden, sei für den Kläger und seine Familie unzumutbar. Dass eine anderweitige günstigere Flugverbindung vorhanden gewesen sei, sei von der Beklagten, nicht dargetan. Hiergegen spreche auch, dass die Beklagte sich selbst nicht in der Lage gesehen habe, dem Kläger und seinen Angehörigen eine anderweitige Ersatzverbindung anzubieten.
Die am 09.02.2023 verkündete Entscheidung zum Az. 30 O 270/22 ist nicht rechtskräftig.
Quelle: LG Köln