vzbv, Pressemitteilung vom 05.09.2024 zum Urteil des LG Gera 2 O 881/22 vom 16.07.2024 (nrkr)
- Stadtwerke Energie Jena-Pößneck GmbH wegen intransparenter Informationen in Kundenschreiben verurteilt
- Landgericht Gera: Hinweis auf Sonderkündigungsrecht darf nicht leicht zu übersehen und missverständlich formuliert sein
- Energielieferanten müssen Änderungen der Vertragsbedingungen erläutern oder alte und neue Bedingungen gegenüberstellen
vzbv klagt erfolgreich gegen mangelnde Transparenz in Schreiben von Strom- und Gasanbieter
Juristischer Erfolg für mehr Transparenz in Vertragsänderungsschreiben an Strom- und Gaskund:innen: Das Landgericht (LG) Gera gab einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands gegen die Stadtwerke Energie Jena-Pößneck GmbH statt. Demnach hat der Anbieter nicht ausreichend über beabsichtigte Vertragsänderungen informiert und damit gegen das Energiewirtschaftsgesetz verstoßen. In einem ähnlichen Verfahren setzte sich der vzbv bereits gegen den Anbieter Hanwha Q Cells GmbH aus Sachsen-Anhalt durch.
„Energielieferanten sind verpflichtet, Kund:innen einfach und verständlich über geplante Preiserhöhungen, Vertragsänderungen und Sonderkündigungsrechte zu informieren. “, sagt Fabian Tief, Referent im Team Rechtsdurchsetzung des vzbv. „Die gesetzlich vorgeschriebene Transparenz soll Verbraucher:innen ermöglichen, eine informierte Entscheidung zu treffen. Das Urteil ist ein gutes Signal hin zu einer verbraucherfreundlicheren Praxis unter den Energielieferanten.“
Hinweis auf Kündigungsrecht war leicht zu übersehen
Die Stadtwerke Energie Jena-Pößneck GmbH hatten in Preiserhöhungsschreiben an Gas- und Stromkund:innen auch Änderungen der Geschäftsbedingungen (AGB) angekündigt und hierzu mitgeteilt: „Alle Anpassungen erfolgen automatisch. Sie müssen nichts tun.“ Das suggerierte nach Auffassung des vzbv, dass Verbraucher:innen nichts dagegen unternehmen können. Auf ihr Sonderkündigungsrecht wies das Unternehmen lediglich kleingedruckt auf der zweiten Seite des Schreibens hin – versteckt zwischen hervorgehobenen Passagen mit der Aufforderung zur Ablesung des Zählerstandes und der Werbung für einen Treuebonus. Welche Vertragsklauseln wie geändert werden, wurde in den Schreiben nicht erläutert.
Informationen müssen einfach und verständlich sein
Das Landgericht Gera schloss sich der Auffassung des vzbv an, dass das Unternehmen weder über das Sonderkündigungsrecht noch über die Änderung der Geschäftsbedingungen in einfacher und verständlicher Weise informiert hat, wie es das Energiewirtschaftsgesetz vorschreibt. Der Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht sei im Gesamtgefüge des Preiserhöhungsschreibens derart unscheinbar, dass er leicht zu übersehen sei. Darüber hinaus erwecke das Unternehmen den falschen Eindruck, dass es sich beim Kündigungsrecht um eine Serviceleistung des Unternehmens und nicht um ein gesetzliches Recht der Kund:innen handelt.
Das Gericht monierte außerdem, dass die Änderungen der Vertragsbestimmungen nicht nachvollziehbar waren. Es fehle eine Gegenüberstellung der alten und neuen Bedingungen oder eine Erläuterung der beschlossenen Änderungen. Ein bloßer Hinweis auf die neuen Bedingungen reiche nicht aus.
Änderung muss klarer erkennbar sein
Bereits im Jahr 2023 gewann der vzbv eine ähnliche Klage beim Landgericht Dessau-Roßlau gegen die Hanwha Q Cells GmbH mit Sitz in Bitterfeld-Wolfen. Das Unternehmen hatte in Preiserhöhungsschreiben die alten und neuen Strompreise lediglich gegenübergestellt. Außerdem wurde auf eine Anpassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) hingewiesen, ohne die Anpassung zu erläutern. Beides war nach Auffassung des Gerichts unzureichend. Damit sich Kund:innen ein klares Bild machen können, müssten auch die einzelnen Preisbestandteile vor und nach der Erhöhung gegenübergestellt werden. Auch bei den AGB-Änderungen müsste das Unternehmen entweder die alten und neuen Bedingungen gegenüberstellen oder die einzelnen Änderungen verständlich erläutern.
Die Hanwha Q Cells GmbH hat Anfang des Jahres 2024 ihre Berufung zum Oberlandesgericht Naumburg (Az. 7 U 32/23) zurückgenommen. Damit ist das Urteil des LG Dessau-Roßlau rechtskräftig.
Hintergrund: Undurchsichtige Preiskommunikation in der Energiekrise
Um während der Energiepreiskrise über die Vielzahl an Preisänderungen einen vertieften Einblick zu bekommen, hatte der vzbv von Oktober 2021 bis April 2022 über 180 Preiserhöhungsmitteilungen von mehr als 70 Energieanbietern analysiert. Dabei wurde festgestellt, dass Energielieferanten den gesetzlichen Vorgaben, die an Preisänderungsmitteilungen gestellt werden, nicht in jedem Fall nachkommen.
Parallel leitete der vzbv mehrere Unterlassungsverfahren ein. Die Stadtwerke Jena-Pößneck GmbH und die Hanwha Q Cells GmbH gaben keine Unterlassungserklärung ab, weshalb der vzbv die beiden Klagen einreichte.
Quelle: Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)