Sozialrecht - 22. August 2022

Eingliederungshilfeträger haben im Einzelfall Aufwendungen für eine persönliche Assistenz zu übernehmen

LSG Sachsen, Pressemitteilung vom 22.08.2022 zum Urteil L 8 SO 48/21 vom 13.07.2022

Eingliederungshilfeträger haben im Einzelfall Aufwendungen für eine persönliche Assistenz zu übernehmen, wenn es dem behinderten Menschen ansonsten nicht möglich ist, einen Besuch bei seinen Angehörigen zu absolvieren. Der Eingliederungshilfeträger ist Funktionsnachfolger des Sozialhilfeträgers.

Der 8. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts hat mit Urteil vom 13.07.2022 entschieden, dass Besuchsbeihilfen auch die Übernahme der Kosten einer persönlichen Assistenz umfassen können (Az. L 8 SO 48/21). Zugleich hat der Senat eine wichtige Entscheidung im Zusammenhang zur Neuregelung des Eingliederungshilferechts durch das Bundesteilhabegesetz getroffen.

Der 54jährige Kläger lebt in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderungen. Alle zwei Wochen besucht er über das Wochenende seine 90jährige Mutter, die in einer anderen Stadt lebt. Bei der Bewältigung dieser Fahrten ist er aufgrund psychischer Erkrankungen auf Hilfe angewiesen. Der Kommunale Sozialverband Sachsen (KSV) lehnte im Jahr 2018 als zuständiger Sozialhilfeträger die Übernahme der Kosten einer Assistenz für die Besuche ab, da der Bedarf des Klägers bereits durch die Übernahme der Kosten der Heimunterbringung gedeckt sei. Das erstinstanzlich befasste Sozialgericht Dresden bejahte nach Einholung eines Sachverständigengutachtens den Anspruch auf Assistenzleistungen. Diese Entscheidung hat das Landessozialgericht nun bestätigt. Die Besuchsbeihilfe in Form der persönlichen Assistenz kann im Einzelfall als Leistung der Eingliederungshilfe erbracht werden, wenn sie erforderlich ist. Der schwerbehinderte Kläger ist auf die persönliche Assistenz angewiesen, um seine Mutter zu besuchen und den Kontakt zu ihr aufrechtzuerhalten. Wesentliches Ziel der Eingliederungshilfe ist es, der Vereinsamung behinderter Menschen entgegenzuwirken.

Der ablehnende Bescheid aus dem Jahr 2018 hat sich nicht dadurch erledigt, dass das Eingliederungshilferecht ab dem 01.01.2020 im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) geregelt und seitdem der Eingliederungshilfeträger für die streitigen Leistungen zuständig ist. Der beklagte KSV ist nämlich Funktionsnachfolger des bis zum 31.12.2019 zuständigen Sozialhilfeträgers. Damit stellt sich das Landessozialgericht gegen zwei Entscheidungen des Bundessozialgerichts, wonach der Träger der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX in der seit 01.10.2020 geltenden Fassung nicht Funktionsnachfolger des bis zum 31.12.2019 zuständig gewesenen Sozialhilfeträgers ist (Urteil vom 28.01.2021, Az. B 8 SO 9/19 R; Beschluss vom 24.06.2021, Az. B 8 SO 19/20 B).

Die Revision wurde zugelassen.

§ 115 SGB IX Besuchsbeihilfen

Werden Leistungen bei einem oder mehreren Anbietern über Tag und Nacht erbracht, können den Leistungsberechtigten oder ihren Angehörigen zum gegenseitigen Besuch Beihilfen geleistet werden, soweit es im Einzelfall erforderlich ist.

Quelle: LSG Sachsen