EU-Recht - 16. Oktober 2025

Ein Blitzeinschlag in ein Flugzeug kann einen außergewöhnlichen Umstand darstellen

EuGH, Pressemitteilung vom 16.10.2025 zum Urteil C-399/24 vom 16.10.2025

Er stellt einen außergewöhnlichen Umstand dar, der das Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung zur Leistung einer Ausgleichszahlung bei Annullierung oder großer Verspätung befreien kann, wenn er zu obligatorischen Sicherheitsüberprüfungen mit der Folge der verspäteten Freigabe des Flugzeugs für den Einsatz führt.

Kurz vor der Landung in Iași (Rumänien) wurde ein Flugzeug der Austrian Airlines von einem Blitz getroffen. Aufgrund der anschließenden obligatorischen Sicherheitsüberprüfungen konnte das Flugzeug den folgenden Flug nach Wien (Österreich) nicht wie geplant durchführen.

Ein Passagier, der diesen Flug antreten sollte, kam mit einem Ersatzflug mit einer Verspätung von mehr als sieben Stunden in Wien an. Er trat die durch diese Verspätung entstandene potenzielle Forderung an AirHelp ab, die vor den österreichischen Gerichten eine Ausgleichszahlung in Höhe von 400 Euro von Austrian Airlines verlangt.

Austrian Airlines ist der Ansicht, dass der Blitzeinschlag mit anschließenden obligatorischen Sicherheitsinspektionen einen außergewöhnlichen Umstand darstellt. Außerdem habe sie alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um der Verspätung abzuhelfen. Sie müsse daher nach der Fluggastrechteverordnung1 keine Ausgleichszahlung leisten.

Das mit dem Rechtsstreit befasste österreichische Gericht hat dem Gerichtshof hierzu eine Frage vorgelegt.

Der Gerichtshof2 antwortet, dass ein Blitzeinschlag in ein Flugzeug, mit dem ein Flug durchgeführt werden sollte, einen außergewöhnlichen Umstand darstellt, wenn dieser Blitzeinschlag zu obligatorischen Sicherheitsüberprüfungen mit der Folge der verspäteten Freigabe des Flugzeugs für den Einsatz geführt hat.

Er weist u. a. darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber in den Begriff der „außergewöhnlichen Umstände“ die mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen einbezogen habe, darunter die Gefahr eines Blitzeinschlags. Ein Blitzeinschlag, nach dem das Flugzeug obligatorischen Sicherheitsüberprüfungen unterzogen werden muss, ist nicht untrennbar mit dem System zum Betrieb des Flugzeugs verbunden. Er ist daher nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar. Diese Schlussfolgerung ermöglicht es, das Ziel der Sicherheit der Fluggäste zu gewährleisten, indem sie verhindert, dass für Luftfahrtunternehmen Anreize geschaffen werden, die erforderlichen Maßnahmen zu unterlassen und der Aufrechterhaltung und der Pünktlichkeit ihrer Flüge einen höheren Stellenwert einzuräumen als diesem Sicherheitsziel.

Um sich von der Verpflichtung zu befreien, den betroffenen Fluggästen eine Ausgleichszahlung zu leisten, muss das Luftfahrtunternehmen ferner nachweisen, dass es alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um den Eintritt des außergewöhnlichen Umstands3 und seine Folgen4, wie beispielsweise eine große Verspätung, zu vermeiden. Es ist Sache des österreichischen Gerichts, dies im vorliegenden Fall zu beurteilen.

Fußnoten

1 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen.

2 Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass seit dem 1. Oktober 2024 grundsätzlich das Gericht der Europäischen Union für Vorabentscheidungsfragen im Bereich der Fluggastrechte zuständig ist. Da das Ersuchen um Vorabentscheidung in der vorliegenden Rechtssache jedoch am 7. Juni 2024 beim Gerichtshof einging, ist der Gerichtshof für die Beantwortung zuständig geblieben. Zur teilweisen Übertragung der Zuständigkeit für das Vorabentscheidungsverfahren siehe Pressemitteilungen Nr. 125/24, Nr. 126/24 und Nr. 154/24.

3 Präventive Maßnahmen wie das Umfliegen von Gewitterzellen ermöglichen es zwar, Blitzeinschläge zu verhindern, jedoch ist es trotz moderner meteorologischer Daten und Routenführung besonders schwierig, das Durchfliegen einiger dieser Gewitterzellen völlig auszuschließen.

4 Das Luftfahrtunternehmen muss nachweisen, dass es selbst unter Einsatz aller ihm zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel – ohne angesichts der Kapazitäten seines Unternehmens zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht tragbare Opfer – offensichtlich nicht hätte vermeiden können, dass die außergewöhnlichen Umstände zur Annullierung oder großen Verspätung dieses Fluges führen.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union