Berufsstand - 18. April 2023

Ehemaliger Anwalt kann offene Gebühren einfordern

BRAK, Mitteilung vom 17.04.2023 zum Urteil IX ZR 189/21 des BGH vom 16.02.2023

Ein ehemaliger Rechtsanwalt ist weiterhin berechtigt und verpflichtet, offene Rechnungen zu unterzeichnen und bei den Mandanten einzufordern, so der Bundesgerichtshof (BGH). Dies gelte auch dann, wenn kein Abwickler bestellt worden sei (Urteil IX ZR 189/21 vom 16.02.2023).

Früherer Rechtsanwalt fordert offene Rechnungen ein

Der ehemalige Rechtsanwalt hatte nach Beendigung seiner Tätigkeit noch offene Forderungen in Höhe von etwa 95.000 Euro gegenüber einer GbR geltend gemacht. Hierzu erstelle er selbst über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren insgesamt 19 Rechnungen. Diese unterschrieb er zunächst auch nach Ende seiner rechtsanwaltlichen Tätigkeit mit „Rechtsanwalt“, später verzichtete er auf diesen Zusatz. Weil die GbR nicht zahlte, übergab er die Angelegenheit dem Amtsgericht, das entsprechende Mahnbescheide erließ. Letztlich ging der Fall ins Klageverfahren über.

In den Vorinstanzen hatte der ehemalige Rechtsanwalt jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht Kassel sah die Forderungen bereits als verjährt an. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main war der Auffassung, der ehemalige Anwalt habe seiner Mandantschaft keine ordnungsgemäße Abrechnung der Vergütung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) vorgelegt. Damit seien die Vergütungsansprüche schon nicht einforderbar. Die mit der Unterzeichnung der Rechnungen bezweckte Übernahme der strafrechtlichen, zivilrechtlichen und standesrechtlichen Verantwortung erfordere es, dass der Unterzeichner zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sei. Ohne Zulassung habe er nicht mehr wirksam unterzeichnen können.

BGH: Auch ehemaliger Rechtsanwalt kann noch wirksam unterschreiben

Die Revision dagegen hatte jedoch Erfolg. Der BGH war der Ansicht, dass die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Funktion der Unterzeichnung zu kurz griffen. Zwar scheide die standesrechtliche Verantwortung aus, nicht aber die straf- und zivilrechtliche. So komme nach Ende der Zulassung zwar keine Strafbarkeit nach dem leichteren Amtsdelikt aus § 352 Strafgesetzbuch (StGB) in Betracht, dafür aber z. B. der Betrugstatbestand, § 263 StGB. Zivilrechtlich bleibe der Beauftragte aus dem Anwaltsdienstvertrag trotz Erlöschens der Zulassung auch nachwirkend verpflichtet. Das gelte gerade auch für die Einforderung noch offener Vergütungen und die dazu gehörige Mitteilung der Berechnung.

Der BGH nimmt in seinem Urteil explizit Bezug auf ein früheres Urteil (IX ZR 85/03 vom 06.05.2004). Bereits damals habe der Senat entschieden, dass ein ehemaliger Rechtsanwalt offene Gebühren einfordern könne, wenn der bestellte Abwickler insoweit nicht tätig geworden sei. Dies müsse auch gelten, wenn überhaupt kein Abwickler bestellt, sondern der Rechtsanwalt alleine tätig geworden sei.

Der BGH verwies den Fall daher zurück ans OLG. Die Ansprüche seien zumindest nach dem Vortrag des Klägers nicht verjährt; hierzu müsse das OLG nun aber eigene Feststellungen treffen. Sollte danach keine Verjährung eingetreten sein, müsse das OLG die Gebührenforderung weiter prüfen.

Quelle: BRAK