EU-Kommission, Pressemitteilung vom 06.04.2022
In ihren Entscheidungen zu Vertragsverletzungsverfahren im Monat April hat die Europäische Kommission am 06.04.2022 Deutschland aufgefordert, seinen Verpflichtungen zum Datenschutz bei der Strafverfolgung, beim Elektrizitätsbinnenmarkt sowie zur Besteuerung von Dividenden- und Zinsausschüttungen an gemeinnützige Organisationen nachzukommen. Abgeschlossen hat die Kommission das Verfahren gegen Deutschland wegen erhöhter Feinstaubwerte, das seit 2008 lief. In einem weiteren Beschluss verschärfte die Kommission das Vertragsverletzungsverfahren gegen Malta wegen der Vergabe „goldener Pässe“ an ausländische Investoren.
Datenschutz: Kommission fordert von Deutschland die ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie zum Datenschutz bei der Strafverfolgung
Die Europäische Kommission hat am 06.04.2022 beschlossen, Aufforderungsschreiben an Deutschland (INFR(2022)2019), Griechenland (INFR(2022)2021), Finnland (INFR(2022)4010) und Schweden (INFR(2022)2022) zu richten, weil diese Länder ihren Meldepflichten gemäß der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) (Verordnung (EU) 2016/679) und der Richtlinie zum Datenschutz bei der Strafverfolgung (Richtlinie (EU) 2016/680) nicht nachgekommen sind. Deutschland hat noch keine Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie in Bezug auf die Tätigkeiten der Bundespolizei mitgeteilt. Griechenland hat einige Bestimmungen, unter anderem betreffend den Anwendungsbereich der Richtlinie zum Datenschutz bei der Strafverfolgung und die Fristen für die Speicherung von Daten, nicht ordnungsgemäß umgesetzt. Finnland und Schweden sind ihren Verpflichtungen in Bezug auf das Rechte Betroffener auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf in bestimmten Fällen nicht nachgekommen. Die Mitgliedstaaten haben nun zwei Monate Zeit, um auf das Schreiben zu reagieren und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die von der Kommission festgestellten Verstöße gegen das EU-Recht abzustellen. Andernfalls kann die Kommission mit Gründen versehene Stellungnahmen übermitteln.
Energiebinnenmarkt: Kommission fordert von Deutschland die Umsetzung der Richtlinie mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt
Die Kommission hat am 06.04.2022 beschlossen, mit Gründen versehene Stellungnahmen an Deutschland (INFR(2021)0028) und Schweden (INFR(2021)0096) zu richten, weil diese Länder es versäumt haben, ihre nationalen Maßnahmen zur Umsetzung der EU-Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt gemäß der Richtlinie (EU) 2019/944 zur Änderung der Richtlinie 2012/27/EU mitzuteilen. In der Richtlinie sind die wichtigsten Vorschriften für die Organisation und die Funktionsweise des Elektrizitätssektors festgelegt, um wirklich integrierte, wettbewerbsgeprägte, verbraucherorientierte, flexible, faire und transparente Elektrizitätsmärkte in der Union zu schaffen.
Die Frist für die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht lief am 31. Dezember 2020 aus. Im Februar 2021 ergingen Aufforderungsschreiben an Deutschland und Schweden sowie an weitere Mitgliedstaaten, die bis Ablauf der Umsetzungsfrist keine Umsetzungsmaßnahmen mitgeteilt hatten. Deutschland und Schweden haben nach wie vor keine entsprechenden nationalen Maßnahmen notifiziert. Nach der heutigen mit Gründen versehenen Stellungnahme haben die beiden Mitgliedstaaten zwei Monate Zeit, um der Kommission ihre Umsetzungsmaßnahmen mitzuteilen. Andernfalls kann die Kommission beschließen, den Gerichtshof der Europäischen Union mit dem Fall zu befassen.
Steuern: Kommission fordert Deutschland auf, seine Vorschriften zur Besteuerung von Dividenden- und Zinsausschüttungen an gemeinnützige Organisationen mit dem EU-Recht in Einklang zu bringen
Die Kommission hat am 06.04.2022 beschlossen, ein Aufforderungsschreiben an Deutschland (INFR(2022)4000) zu richten und das Land aufzufordern, seine Vorschriften zur Besteuerung von an gemeinnützige Organisationen ausgeschüttete Dividenden und Zinsen zu ändern. Dividenden- und Zinsausschüttungen an gemeinnützige Organisationen, die ihren Sitz oder den Ort ihrer Geschäftsleitung in Deutschland haben, sind nach deutschem Steuerrecht von der Quellensteuer befreit oder die einbehaltene Quellensteuer wird erstattet. Dividenden- oder Zinszahlungen an vergleichbare gemeinnützige Einrichtungen, die ihren Sitz in einem anderen EU- oder EWR-Mitgliedstaat oder einem Drittland haben, werden dagegen mit einem Steuersatz von 25 % besteuert, sofern in einem geltenden Doppelbesteuerungsabkommen kein ermäßigter Satz vorgesehen ist. Diese unterschiedliche Behandlung inländischer und grenzüberschreitend getätigter Ausschüttungen von Dividenden und Zinsen scheint eine Beschränkung des in Artikel 63 AEUV und Artikel 40 des EWR-Abkommens verankerten freien Kapitalverkehrs darzustellen. Gibt Deutschland binnen der nächsten zwei Monate keine zufriedenstellende Antwort, kann die Kommission beschließen, eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu übermitteln.
Kommission stellt Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen der Überschreitung von Feinstaub-Grenzwerten ein
Am 06.04.2022 hat die Kommission auch beschlossen, ein seit 2008 laufendes Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen der Überschreitung von Feinstaub-Grenzwerten zu beenden. Ursprünglich eingeleitet worden war das Verfahren, da die in der EU-Luftqualitätsrichtlinie vereinbarten Jahres- oder Tagesgrenzwerte in sechs Gebieten in Deutschland seit mindestens fünf Jahren überschritten worden waren. Zuletzt waren noch Stuttgart und Leipzig betroffen. Die aktuellsten Jahresberichte, die einen Zeitraum bis 2020 abdecken, zeigen nun, dass es in den letzten drei Jahren in keinem Gebiet eine Überschreitung gab. Die Einhaltung der Grenzwerte ist somit konstant und nachhaltig, deshalb gibt es keine rechtliche Verpflichtung mehr, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen oder die Luftqualitätspläne in Bezug auf Feinstaub zu ändern. Solche weiteren zusätzlichen Maßnahmen zur Verringerung der Feinstaubbelastung haben jedoch weiterhin einen Nutzen für die Gesundheit. Das Vertragsverletzungsverfahren wegen der Stickstoffdioxidbelastung in 28 deutschen Luftqualitätszonen läuft indes weiter.
Quelle: EU-Kommission