EU-Kommission, Pressemitteilung vom 11.05.2020
Die Europäische Kommission hat den Befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen vom 19. März zum zweiten Mal ausgeweitet. Damit werden gezielte staatliche Maßnahmen in Form von Rekapitalisierungsbeihilfen für in Not geratene Nichtfinanzunternehmen ermöglicht, gleichzeitig aber Vorkehrungen getroffen, um unverhältnismäßige Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt zu vermeiden. „Wenn die Mitgliedstaaten Hilfsmaßnahmen beschließen, werden wir über die heute angenommenen Vorschriften sicherstellen, dass die mit dem Geld der Steuerzahler finanzierte Unterstützung hinreichend vergütet wird und Auflagen gelten, darunter ein Verbot von Dividendenausschüttungen und Bonuszahlungen sowie weitere Vorkehrungen zur Begrenzung von Wettbewerbsverzerrungen“, so die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission Margrethe Vestager.
Exekutiv-Vizepräsidentin Vestager betonte weiter: „Im Interesse der öffentlichen Transparenz müssen große Unternehmen ferner über die Verwendung der erhaltenen Beihilfen und die Einhaltung ihrer Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem ökologischen und dem digitalen Wandel Bericht erstatten. Wir müssen die europäischen Werte wahren und faire Wettbewerbsbedingungen gewährleisten, damit die europäische Wirtschaft nach der Krise rasch wieder Fahrt aufnehmen kann. Da reicht die Kontrolle staatlicher Beihilfen bei Weitem nicht aus. Wir benötigen einen europäischen Aufbauplan, der auf Umweltfreundlichkeit und Digitalisierung ausgerichtet ist und allen europäischen Verbrauchern zugutekommt. Ein solcher Plan dient ganz Europa, denn die globale symmetrische Krise darf nicht zu einem asymmetrischen Schock führen, der Mitgliedstaaten mit geringeren Möglichkeiten zur Stützung ihrer Industrie benachteiligt oder die Wettbewerbsfähigkeit der EU insgesamt gefährdet.“
Auf der Grundlage dieser horizontalen Vorschriften hat die Kommission in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten bislang staatliche Beihilfen in Höhe von schätzungsweise 1,9 Billionen Euro für die EU-Wirtschaft genehmigt. Die Mitgliedstaaten wurden in die Lage versetzt, dringend benötigte Liquidität für Unternehmen bereitzustellen, Arbeitsplätze zu retten, Forschung und Entwicklung zu ermöglichen und die Versorgung mit Erzeugnissen zur Bekämpfung des Coronavirus-Ausbruchs sicherzustellen.
Am 3. April 2020 war bereits eine
erste Änderung
verabschiedet worden. Mit dieser zweiten Änderung werden die bereits durch den Befristeten Rahmen und die bestehenden Beihilfevorschriften abgedeckten Kategorien von Maßnahmen durch Maßnahmen bzw. Kriterien ergänzt, nach denen die Mitgliedstaaten bei Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen Unternehmen in Not Rekapitalisierungen und nachrangiges Fremdkapital gewähren können.
Rekapitalisierungsbeihilfen für Unternehmen
Die Notfallmaßnahmen, die die Mitgliedstaaten zur Bewältigung des Coronavirus-Ausbruchs ergreifen mussten, haben zahlreiche europäische Unternehmen in ihrer Fähigkeit beeinträchtigt, Waren zu produzieren oder Dienstleistungen zu erbringen. Sie haben Verlusten geschrieben, durch die ihr Eigenkapital und ihre Möglichkeit, an den Märkten Kredite aufzunehmen, geschmälert wurden. Mit dieser zweiten Änderung wird daher der Befristete Rahmen in der Weise ausgeweitet, dass gezielte staatliche Maßnahmen in Form von Rekapitalisierungsbeihilfen für in Not geratene Nichtfinanzunternehmen ermöglicht werden, um das Risiko für die EU-Wirtschaft insgesamt zu verringern.
Gleichzeitig sieht der Befristete Rahmen eine Reihe von Vorkehrungen vor, um unverhältnismäßige Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt zu vermeiden. Darüber hinaus steht es den Mitgliedstaaten frei, nationale Maßnahmen zu konzipieren, die weiteren politischen Zielen entsprechen, wie etwa einer wirksameren Förderung des ökologischen und des digitalen Wandels ihrer Volkswirtschaften oder der Verhinderung von Betrug, Steuerhinterziehung oder aggressiver Steuerumgehung.
1. i) Voraussetzungen hinsichtlich der Erforderlichkeit, der Geeignetheit und des Umfangs der Maßnahmen: Rekapitalisierungsbeihilfen sollten nur gewährt werden, wenn keine andere geeignete Lösung zur Verfügung steht. Sie müssen im gemeinsamen Interesse liegen, also etwa soziale Notlagen oder ein Marktversagen aufgrund erheblicher Arbeitsplatzverluste, den Marktaustritt eines innovativen oder systemisch wichtigen Unternehmens oder das Risiko einer Unterbrechung der Erbringung einer wichtigen Dienstleistung vermeiden. Schließlich muss die Beihilfe auf das zur Gewährleistung der Rentabilität des Empfängers erforderliche Maß beschränkt sein, und sie sollte lediglich die vor dem Coronavirus-Ausbruch bestehende Kapitalstruktur der Empfänger wiederherstellen.
2. ii) Voraussetzungen hinsichtlich der Beteiligung des Mitgliedstaats am Kapital von Unternehmen und der Vergütung: Der Staat muss für die Risiken, die er durch die Rekapitalisierungsbeihilfe trägt, eine hinreichende Vergütung erhalten. Um sicherzustellen, dass es sich um eine vorübergehende Beteiligung handelt, muss der Vergütungsmechanismus den Beihilfeempfängern und/oder ihren Anteilseignern ferner Anreize bieten, die Anteile, die der Staat über Beihilfen erworben hat, zurückzukaufen.
iii) Voraussetzungen hinsichtlich des Ausstiegs des Mitgliedstaats aus der Beteiligung an den betroffenen Unternehmen: Die Beihilfeempfänger und die Mitgliedstaaten müssen eine Ausstiegsstrategie entwickeln. Dies gilt insbesondere für Großunternehmen, die in erheblichem Umfang staatliche Rekapitalisierungsbeihilfen erhalten haben. Wenn sechs Jahre nach der Rekapitalisierung börsennotierter Unternehmen – bzw. bis zu sieben Jahre bei anderen Unternehmen – der Ausstieg des Staates nicht feststeht, muss bei der Kommission ein Umstrukturierungsplan für das begünstigte Unternehmen angemeldet werden.
1. iv) Voraussetzungen hinsichtlich der Governance: Bis zum vollständigen Ausstieg des Staates unterliegen die Beihilfeempfänger einem Dividenden- und Aktienrückkaufverbot. Außerdem gilt bis zur Rückzahlung von mindestens 75 Prozent der Rekapitalisierung eine strenge Beschränkung der Vergütung der Geschäftsleitung, einschließlich eines Verbots von Bonuszahlungen. Diese Voraussetzungen sollen auch Anreize für die Beihilfeempfänger und ihre Anteilseigner schaffen, die Anteile des Staates zurückzukaufen, sobald die wirtschaftliche Lage dies zulässt.
2. v) Verbot der Quersubventionierung und Übernahmeverbot: Um sicherzustellen, dass die Empfänger durch die Gewährung der staatlichen Rekapitalisierungsbeihilfe keinen ungerechtfertigten Vorteil erhalten, der den fairen Wettbewerb im Binnenmarkt beeinträchtigt, dürfen sie die Beihilfe nicht zur Unterstützung der Wirtschaftstätigkeit integrierter Unternehmen verwenden, die sich bereits vor dem 31. Dezember 2019 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befanden. Außerdem dürfen Beihilfeempfänger, bei denen es sich nicht um kleine und mittlere Unternehmen (KMU) handelt, grundsätzlich keine Beteiligungen von mehr als 10 % an Wettbewerbern oder anderen Unternehmen im selben Geschäftsfeld, einschließlich vor- und nachgelagerter Geschäftstätigkeiten, erwerben, bis die Rekapitalisierung zu mindestens 75 Prozent zurückgezahlt wurde.
* Gemäß dieser Änderung können die Mitgliedstaaten Rekapitalisierungsregelungen oder Einzelbeihilfen anmelden. Bei der Genehmigung von Beihilferegelungen wird die Kommission verlangen, dass Beihilfen für Unternehmen, die den Schwellenwert von 250 Mio. Euro übersteigen, für Einzelbewertungen gesondert angemeldet werden. Unternehmen, die sich bereits am 31. Dezember 2019 in Schwierigkeiten befanden, kommen für Beihilfen nach dem Befristeten Rahmen nicht in Betracht.
Öffentliche Transparenz und Berichterstattung
Erhalten Unternehmen im Rahmen von Regelungen Rekapitalisierungsbeihilfen, so müssen die Mitgliedstaaten innerhalb von drei Monaten nach der Rekapitalisierung genaue Angaben zur Identität der begünstigten Unternehmen und zur Höhe der Beihilfen veröffentlichen. Ferner müssen Beihilfeempfänger, bei denen es sich nicht um KMU handelt, Informationen über die Verwendung der erhaltenen Beihilfen veröffentlichen, so unter anderem darüber, wie die Tätigkeiten des Unternehmens im Einklang mit den EU-Zielen und den Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich des ökologischen und digitalen Wandels unterstützt werden.
Die Kommission geht davon aus, dass auch in der Erholungsphase nach der Krise weitere umfangreiche Investitionen des privaten und des öffentlichen Sektors in Unternehmen erforderlich sein dürften, um die mit dem ökologischen und dem digitalen Wandel verbundenen Herausforderungen zu bewältigen. In diesem Zusammenhang weist die Kommission darauf hin, dass die bestehenden Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, im Einklang mit dem EU-Beihilferecht Unterstützung zu gewähren, durch diese Änderung des Befristeten Rahmens nicht ersetzt, sondern ergänzt werden. Wie in der Mitteilung der Kommission vom 14. Januar 2020 angekündigt, werden ferner die einschlägigen Beihilfevorschriften, insbesondere die Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen, in Anbetracht der strategischen Ziele des europäischen Grünen Deals bis 2021 überarbeitet, damit ein kosteneffizienter und sozial integrativer Übergang zur Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 gefördert werden kann. Auf diese Weise wird ein Beitrag zu einer Strategie für die Erholung der Wirtschaft in Europa geleistet, die darauf ausgerichtet ist, dass der ökologische und der digitale Wandel im Einklang mit den EU-Zielen und den Verpflichtungen der Mitgliedstaaten gefördert werden.
Beihilfen für Unternehmen in Form von nachrangigem Fremdkapital
Mit der heutigen Änderung des Befristeten Rahmens wird den Mitgliedstaaten ferner die Möglichkeit eröffnet, Unternehmen, die sich aufgrund des Coronavirus-Ausbruchs in finanziellen Schwierigkeiten befinden, zu günstigen Bedingungen mit nachrangigem Fremdkapital zu unterstützen. Neben der Palette von Instrumenten, die den Mitgliedstaaten bereits gemäß dem Befristeten Rahmen in seiner bisherigen Form zur Verfügung stehen – wie etwa der Gewährung von vorrangigem Fremdkapital -, sind nun auch Fremdkapitalinstrumente zulässig, die im Falle eines Insolvenzverfahrens gegenüber gewöhnlichen bevorrechtigten Gläubigern nachrangig bedient werden.
Nachrangiges Fremdkapital kann im Falle einer Unternehmensfortführung nicht in Eigenkapital umgewandelt werden, und der Staat trägt ein geringeres Risiko. Da Beihilfen in Form von nachrangigem Fremdkapital jedoch die Fähigkeit eines Unternehmens zur Aufnahme von vorrangigem Fremdkapital in ähnlicher Weise erhöhen wie Kapitalzuführungen, gelten – im Vergleich zu vorrangigem Fremdkapital – eine höhere Vergütung und stärkere Beschränkungen hinsichtlich des Betrags. Übersteigt das nachrangige Fremdkapital, das gewährt werden soll, die Obergrenzen, gelten alle oben dargelegten Voraussetzungen für Rekapitalisierungsmaßnahmen.
Nächste Schritte
Der geänderte Befristete Rahmen gilt bis Ende Dezember 2020. Solvenzprobleme können im Rahmen der Krise jedoch zeitverzögert auftreten, weshalb die Kommission den Geltungszeitraum ausschließlich für Rekapitalisierungsmaßnahmen bis Ende Juni 2021 verlängert hat. Um Rechtssicherheit zu gewährleisten, wird die Kommission vor Ablauf dieser Fristen prüfen, ob eine Verlängerung erforderlich ist.
Außerdem prüft die Kommission fortlaufend, ob weitere Maßnahmen erforderlich sind, um das Instrumentarium der Mitgliedstaaten zur Stützung ihrer Wirtschaft in diesen schwierigen Zeiten zu ergänzen und Unternehmen dabei zu helfen, sich nach der Krise rasch zu erholen, unter anderem durch eine weitere Änderung des Befristeten Rahmens. In diesem Zusammenhang werden auch die bestehenden staatlichen Vorschiften auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundsätzen des Befristeten Rahmens überprüft.