Zivilrecht - 19. Februar 2021

Corona: Entscheidung über Ansprüche von Gastronomen aus Betriebsschließungsversicherungen

OLG Stuttgart, Pressemitteilung vom 18.02.2021 zu den Urteilen 7 U 335/20 und 7 U 351/20 vom 18.02.2021

Oberlandesgericht Stuttgart entscheidet über Ansprüche von Gastronomen aus Betriebsschließungsversicherungen infolge von Betriebsschließungen im Zuge der Corona-Pandemie

Der für das private Versicherungsrecht zuständige 7. Zivilsenat unter dem Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Norbert Taxis hat am 18. Februar 2021 zwei Entscheidungen über Ansprüche von Gastronomen getroffen, die ihren Betrieb aufgrund der im März 2020 erlassenen Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg schließen mussten.

Die Kläger, deren Klagen bei den angerufenen Landgerichten nicht erfolgreich waren, haben bei unterschiedlichen Versicherungsgesellschaften Verträge über eine sog. Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen.

In einem Verfahren (Az. 7 U 351/20) liegen dem Vertrag Versicherungsbedingungen zugrunde, nach denen der Versicherer u. a. Entschädigung leistet, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt. Dabei ist weiter bestimmt, dass meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger „die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“ sind. Es schließt sich eine Aufzählung an, in der zahlreiche Krankheiten bzw. Krankheitserreger genannt sind, aufgeführt sind aber weder die „Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)“ noch das „Corona-Virus“, die mit Geltung ab dem 23. Mai 2020 im Infektionsschutzgesetz aufgeführt sind.

Im zweiten Verfahren (Az. 7 U 335/20) ist in den Versicherungsbedingungen bestimmt, dass der Versicherer für den Fall, dass die zuständige Behörde aufgrund von Gesetzen zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen im Einzelnen aufgeführte Maßnahmen, zu denen auch eine Betriebsschließung zählt, ergriffen hat, eine Entschädigungsleistung erbringt. Weiter heißt es im Vertrag: „Meldepflichtige Krankheiten oder meldepflichtige Krankheitserreger im Sinne dieses Vertrages sind nur die im Folgenden aufgeführten“; daran schließt sich wiederum eine umfangreiche Aufzählung an, die die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) oder das „Corona-Virus“ ebenfalls nicht umfasst.

Der 7. Zivilsenat hat entschieden, dass infolge der fehlenden Berücksichtigung in der Aufzählung eine Betriebsschließung aufgrund der Corona-Pandemie nicht dem Versicherungsschutz unterfalle. Die Versicherungsbedingungen enthielten jeweils abgeschlossene und nicht erweiterbare Kataloge, sie könnten nicht im Sinne einer dynamischen Verweisung auf die jeweils geltenden Regelungen des Infektionsschutzgesetzes verstanden werden. Die vertraglichen Regelungen seien für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer einer für Gewerbetreibende angebotenen Betriebsschließungsversicherung nicht überraschend und nicht intransparent; sie hielten auch ansonsten einer Inhaltskontrolle stand.

Im Verfahren 7 U 351/20 hat der 7. Zivilsenat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, im Verfahren 7 U 335/20 hingegen nicht.

Relevante Normen (Auszug):

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

§ 305c Überraschende und mehrdeutige Klauseln

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.

(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.

§ 307 Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

  1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
  2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

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Quelle: OLG Stuttgart