EU-Recht - 17. Juni 2021

Bessere Arbeitsbedingungen für Plattformarbeiter: Kommission startet zweite Befragung der Sozialpartner

EU-Kommission, Pressemitteilung vom 16.06.2021

Neue Formen der Arbeit müssen mit gleichen Rechten einhergehen. Menschen, die in der Plattformökonomie arbeiten, haben das Recht auf faire Arbeitsbedingungen und sozialen Schutz wie jeder andere auch. Deshalb sucht die Kommission nach Wegen, um menschenwürdige und transparente Arbeitsbedingungen und einen angemessenen sozialen Schutz in der Plattformarbeit zu gewährleisten. Sie hat daher am 15.06.2021 die zweite Phase der Anhörung der europäischen Sozialpartner zu der Frage eingeleitet, wie die Arbeitsbedingungen für Menschen, die über digitale Arbeitsplattformen arbeiten, verbessert werden können.

Auf die erste Phase der Anhörung, die vom 24. Februar bis zum 7. April 2021 lief, erhielt die Kommission Antworten von 14 EU-weiten Sozialpartnern. Auf der Grundlage der eingegangenen Antworten kam die Kommission zu dem Schluss, dass weitere EU-Maßnahmen erforderlich sind, um grundlegende Arbeitsnormen und Rechte für Menschen, die über Plattformen arbeiten, sicherzustellen.

Margrethe Vestager, die für das Ressort „Ein Europa für das digitale Zeitalter“ zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin, erklärte dazu: „Digitale Arbeitsplattformen spielen eine Schlüsselrolle beim digitalen Wandel der Wirtschaft in Europa. Online wie offline sollten alle Erwerbstätigen Schutz genießen und unter sicheren und menschenwürdigen Bedingungen arbeiten können. Wir werden nun die Standpunkte der Sozialpartner dazu einholen, wie bei der Plattformarbeit angemessene Arbeitsbedingungen sichergestellt werden können und gleichzeitig das nachhaltige Wachstum digitaler Arbeitsplattformen in der EU unterstützt werden kann.“

Nicolas Schmit, der für Beschäftigung und soziale Rechte zuständige EU-Kommissar, sagte: „Online-Plattformen bringen Innovationen und neue Dienstleistungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher mit sich. Sie müssen aber auch den Menschen, die über solche Plattformen arbeiten, die hohen Sozialstandards bieten, die wir erwarten. Wir setzen unsere Konsultation der Sozialpartner fort, um einen intelligenten und ausgewogenen Ansatz zu finden, der den Plattformen und den über sie arbeitenden Menschen Sicherheit und gemeinsame Standards bietet. So werden wir dafür sorgen, dass der digitale Wandel fair und nachhaltig verläuft.“

Digitale Arbeitsplattformen spielen eine Schlüsselrolle beim digitalen Wandel der Wirtschaft in Europa und sind ein wachsendes Phänomen. Die Wirtschaftsleistung der digitalen Arbeitsplattformen in der EU hat sich von geschätzten 3 Mrd. Euro im Jahr 2016 auf rund 14 Mrd. Euro im Jahr 2020 beinahe verfünffacht. Digitale Arbeitsplattformen bringen Innovationen, schaffen Arbeitsplätze und stärken die Wettbewerbsfähigkeit der EU. Sie bieten zusätzliche Einkommensmöglichkeiten auch für Menschen, deren Zugang zum Arbeitsmarkt andernfalls erschwert sein könnte.

Plattformarbeit kann jedoch auch zu prekären Arbeitsbedingungen und einem unzureichenden Zugang zum Sozialschutz für viele Menschen führen, die über Plattformen arbeiten. Die zentrale Herausforderung bei der Plattformarbeit hängt mit dem Beschäftigungsstatus zusammen. Dieser Status ist ein entscheidender Faktor für den Zugang von Menschen, die über Plattformen arbeiten, zu den bestehenden Arbeitnehmerrechten und dem entsprechenden Schutz. Darüber hinaus können für Plattformarbeiter automatisierte Entscheidungen durch bestimmte Algorithmen getroffen werden, ohne dass die Betroffenen die Entscheidung in Frage stellen oder und rechtlich dagegen vorgehen können. Häufig ist auch ihr Zugang zur Vertretung durch eine Gewerkschaft und zu Tarifverhandlungen begrenzt. Herausforderungen birgt auch der grenzüberschreitende Charakter der Plattformarbeit, unter anderem bei der Möglichkeit, zu ermitteln, in welchem Land die jeweilige Tätigkeit ausgeübt wird.

Die zweite Phase der Konsultation zielt darauf ab, die Standpunkte der Sozialpartner zu der Frage einzuholen, wie den Menschen, die über Plattformen arbeiten, angemessene Arbeitsbedingungen garantiert werden können, während gleichzeitig das nachhaltige Wachstum digitaler Arbeitsplattformen in der EU gefördert wird. Die Sozialpartner werden zu den möglichen Inhalten der Initiative auf EU-Ebene in folgenden Bereichen konsultiert:

  • Erleichterung der Klärung des Beschäftigungsstatus und des Zugangs zu Arbeitnehmer- und Sozialschutzrechten;
  • Verbesserung von Information, Konsultation und Rechtsschutz, insbesondere im Zusammenhang mit dem Einsatz des algorithmischen Managements bei der Plattformarbeit;
  • mehr Klarheit bei den geltenden Vorschriften für alle Personen, die über grenzüberschreitend operierende Plattformen arbeiten;
  • Stärkung der Rechtsdurchsetzung, der kollektiven Vertretung und des sozialen Dialogs .

Im Rahmen der Konsultation werden auch die Standpunkte der Sozialpartner zu möglichen Instrumenten für EU-Maßnahmen eingeholt. Die Kommission erwägt sowohl legislative als auch nichtlegislative Instrumente.

Die Sozialpartner werden gebeten, die Fragen der Konsultation bis zum 15. September 2021 zu beantworten.

Der nächste Schritt dieser zweiten Konsultationsphase sind entweder Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern im Hinblick auf den Abschluss einer Vereinbarung gemäß Artikel 155 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) oder die Vorlage eines Vorschlags durch die Europäische Kommission bis Ende 2021.

Eine mögliche EU-Initiative würde unter uneingeschränkter Achtung der nationalen Zuständigkeiten, der Vielfalt der Arbeitsmarkttraditionen in den Mitgliedstaaten und der Autonomie der Sozialpartner erarbeitet. Jegliche Initiative zur Plattformarbeit sollte die nationalen Definitionen von „Arbeitnehmer“ achten. Die Kommission beabsichtigt nicht, einen „dritten“ Beschäftigungsstatus (weder Selbstständige noch Arbeitnehmer) auf EU-Ebene zu schaffen, wobei die Entscheidung einiger Mitgliedstaaten, einen solchen Status in ihren nationalen Rechtsvorschriften einzuführen, respektiert wird.

Quelle: EU-Kommission