Zivilrecht - 6. Mai 2021

Bei Nachbarstreitigkeiten ist Gang zum örtlichen Schiedsamt immer obligatorisch

AG Bad Iburg, Pressemitteilung vom 05.05.2021 zum Urteil 4 C 465/20 vom 13.01.2021 (rkr)

Klage ohne vorheriges Schlichtungsverfahren unzulässig

Bei Streitigkeiten, die aus einem nachbarrechtlichen Konfliktverhältnis heraus entstanden sind, ist vor Erhebung der Klage grundsätzlich immer ein Schlichtungsverfahren vor dem örtlichen Schiedsamt durchzuführen und zwar unabhängig von der konkreten rechtlichen Grundlage, auf die der geltend gemachte Anspruch gestützt wird.

§ 1 Abs. 2 Nr. 2b des Niedersächsischen Schlichtungsgesetzes (NSchlG), der die obligatorische Streitschlichtung für Streitigkeiten über Ansprüche wegen der im Niedersächsischen Nachbarrechtsgesetz geregelten Nachbarrechte vorschreibt, ist weit auszulegen und greift immer dann ein, wenn ein Rechtsstreit aus einem nachbarrechtlichen Konfliktverhältnis heraus entstanden ist.

Was war passiert?

Die Parteien sind Nachbarn in Bad Iburg. Der Kläger ist Eigentümer eines noch unbebauten Grundstücks, die Beklagten sind Eigentümer des angrenzenden Grundstücks, das mit einem Einfamilienhaus bebaut ist.

Im Zuge der Baumaßnahmen legten die Beklagten im Bereich der Grundstücksgrenze eine Einfahrt an. Nachdem sie ihr Grundstück auf ein höheres Niveau aufgeschüttet hatten, errichteten sie zum ursprünglich höher gelegenen Grundstück des Klägers eine Betonmauer. Bei der Gründung der Mauer und den insoweit notwendigen Betonarbeiten wurden Betonteile unterhalb der Oberfläche in das Grundstück des Klägers hinein gebaut.

Mit seiner Klage verlangte der Kläger die Beseitigung des Betonsockels. Er hatte direkt Klage beim Amtsgericht eingereicht und sich nicht vorher an das Schiedsamt gewandt. Dies war seiner Meinung nach nicht erforderlich: Er stütze seinen Anspruch auf § 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches und nicht auf das Niedersächsische Nachbarrechtsgesetz, so der Kläger.

Wie hat das Amtsgericht Bad Iburg entschieden?

Das Amtsgericht Bad Iburg sieht dies anders und hat die Klage als unzulässig abgewiesen (Az. 4 C 465/20).

Vor Klageerhebung hätte auch in diesem Fall zwingend ein Streitschlichtungs­verfahren gemäß § 1 NSchlG durchgeführt werden müssen, da der Rechtsstreit aus einem nachbarschaftlichen Konfliktverhältnis heraus entstanden ist. Ein solches liege auch dann vor, wenn Nachbarn zwar nicht direkt um Ansprüche aus dem Niedersächsischen Nachbarrechtsgesetz streiten, jedoch korrespondierende Beseitigungsansprüche aus § 1004 BGB oder Ansprüche aus unerlaubter Handlung geltend gemacht werden, die mit einer nachbarrechtlichen Streitigkeit in engem Zusammenhang stehen. Nur so könne der Zweck der Vorschrift, die Sozialbeziehung zwischen den streitenden Nachbarn in möglichst vielen Fällen wiederherzustellen, erreicht werden, da in einem Schlichtungsverfahren auch solche Tatsachen berücksichtigt werden können, die für die Lösung des Nachbarkonflikts von wesentlicher oder ausschlaggebender Bedeutung sind, rechtlich aber keine Relevanz haben.

Das Urteil ist rechtskräftig. Das Landgericht Osnabrück hat die Berufung des Klägers durch Beschluss zurückgewiesen (Az. 7 S 50/21).

Quelle: AG Bad Iburg